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Rolf Beckert, Chemnitz

Ich war mal Seemann

in den Jahren 1962 bis 1968 und bin es immer noch.

 GERA  |  EMA (1)  |  FREUNDSCHAFT  |  SENFTENBERG  |  KÖRNER (1)  |  SEELENBINDER  |  Hanse Sail

Umfasst nun Rolfs frühere Beiträge "Krank in Mexico", "SENFTE ins Nordmeer", "Winter in Murmansk",
"Sagua La Grande", "DSR half den USA", "Abgesoffenes Fotolabor!", und so einige weitere Geschichten.
Auch größere Fotos lassen sich "noch größer klicken".

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Mit GERA nach Asien und dann im Großen Belt

Motorschiff GERA, eine fast typische Indien-Reise 1962/63:
31.8.1962 ab Rostock - Westeuropa - Suezkanal - Bombay - Cochin - Colombo - Madras - Kalkutta - Rangoon - Cochin - Häfen an der Malabar-Küste - Port Sudan - Suezkanal - Weihnachten auf See - Westeuropa - Havarie im Großen Belt - an Rostock im Februar 1963
ABa, Reiseverlauf anhand der Quellen: "Typ IV..." G. Peters 1998 S. 217; Rolf selbst
Antwerpen slr-t4f-313-GERA-h23.jpg slr-t4f-313-GERA-07.jpg Colombo
Von Schiffe/Frachter, groß/Typ-IV/12 Typ IV#GERA
Von der großen Insel im Süden
Nebenstehendes Foto ist ein Scan aus einer "Voll Voraus" von 1963. Zu sehen ist mein Kapitän Fünning (l.) vom MS GERA beim Austausch von Geschenken. Der Kapitän überreicht einen Wimpel (DDR-Fahne mit Emblem).

Das Geschenk des ceylonesischen Gastes (r.) trägt der Kapitän bereits um den Hals, ein Schaltuch. Ort Colombo - Ceylon.

Anhand der flachen Deckenleuchte im Bild ist sehr zu vermuten, dass es sich um die Offiziersmesse der GERA handelt.

Anmerkungen: Ich war bei dieser Reise nach  Südasien dabei. Und Kpt. Fünning hatte ich dann wieder 1967/68 (s. u.).

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Hilfssteward

slr-sc06-03-GERA-MMesse.jpg Uns fehlte auf dieser Reise ein zweiter Messesteward für die Mannschaftsmesse. Deshalb mussten im Wechsel die Bereiche Deck und Maschine einen Mann stellen. Aber natürlich nur die untersten Dienstränge, Decksmann und Motoren-Helfer. Immer für eine Woche. Mir gefiel die Rolle als "Hilfssteward" ganz gut. Die Vorteile waren vor allem: Keinen Wachdienst in der Maschine, immer kalte Getränke und immer Leckerbissen. Der Nachteil ist aber der: Morgens früh raus und abends erst nach dem Abendbrot Feierabend. Zwischendurch hat man allerdings Zeit für ein schönes Mittagsschläfchen.
Einmal traf es mich im Hafen Colombo. Auch hier die Vorteile: Keine Arbeit im Maschinenraum bei Hitze und Zeitdruck bei allen möglichen Reparaturen. Der Nachteil: Landgang ist erst nach 18 Uhr und kein freies Wochenende. Kleiner Vorteil dabei: Wenn ich auf den Mittagsschlaf verzichtete, konnte ich für einen Sprung an Land gehen.
Falls jemand gar nicht weiß, was ein Messesteward und sein Helfer auf einem Schiff zu machen haben, hier ganz kurz: Den hungrigen Mäulern die Mahlzeiten servieren. Zuvor natürlich die Tische decken und Kompott und Getränke auftragen. Bei kräftigem Seegang nasse Tischtücher auflegen, damit nichts rutscht. Bei noch höherem Seegang an den Tischen die Schlingerleisten hoch klappen. Nur mal als Beispiel. Und nach dem Essen wird das Geschirr gespült und wieder weg sortiert. Die Bestecks von etwa 40 Mann wurden in einer großen Blechschüssel eingeweicht und durch kräftiges Rütteln vorgereinigt. Und weiter geht es wie bei einer fleißigen Hausfrau. Tische und Fußböden werden nach jeder Mahlzeit gesäubert. Dazu kommen weitere Aufgaben für den Steward, z.B. der Bettwäschetausch für die Offiziere. Das Bettzeug wird bei ihnen aus der Kammer geholt und gegen frisches ausgetauscht. Bettzeug und Handtücher. In der Regel beziehen die Offiziere ihre Betten selbst. Manche verlassen sich dabei aber auch auf den Service der Stewards.
Eine Begebenheit. Das Schiff liegt im Hafen von Colombo/Ceylon. Mit Beginn des Mittagessens stehen etwa zehn Einheimische am Schott, das von der Mannschaftsmesse neben der Kombüse an Deck führt, um den Abfalleimer aus der Mannschaftsmesse nach Achtern tragen zu dürfen. Das geht dann so: Mittag ist vorüber. Der vom Steward ausgesuchte Mann bekommt mit einem Fingerzeig gesagt, dass er den Abfalleimer aus der Messe holen kann. Große Freude unter den übrigen Wartenden und ab geht es nach Achtern. Kaum außer Sichtweite wird der Eimer abgesetzt und alle fassen bis auf dem Grund des Eimers um Kartoffeln und andere feste Abfälle herauszufischen. Und ihr Mittagsmahl kann beginnen. Übrig bleibt nur das Dünne. Der Rest wird in den Fullbrass-Sack geschüttet. Natürlich haben wir Stewards (und Hilfsstewards) auch besseres Essbares verteilt. Bekommen haben es aber doch immer nur die, die am besten betteln konnten. Vom Koch wurde dieses Verschenken von Essen nicht gern gesehen. Ja, freilich, wo soll man auch eine Grenze ziehen. Die hungrigen Kinder und Frauen bekommen nichts ab. Und helfen konnten wir denen auch nicht.
Unsere Matrosen machten sich manchmal den Scherz (sehr bedauerlich und gemein) mit den Leuten, indem sie den Hungrigen eine Blutwurstschnitte zeigten und sie anregten, diese Bemme zu essen. Wissend, daß in Ceylon niemand Blutwurst essen kann, die Religion verbietet das.
Im Hafen ist der Stewarddienst anstrengender als auf See. Die Mannschaft hat im Hafen viel Arbeit am Schiff. Oder ein Matrose kann die Luken-Aufsicht nicht verlassen. Der bekommt natürlich auch sein Essen. Die Essenszeiten verlängern sich. Das macht Aufwand für den Steward. Oft werden im Hafen Besucher (je nach Rang in der Offiziers- oder Mannschaftsmesse) vom Schiff beköstigt. Bringt Mehraufwand für die Stewards und für die Köche.
Auf See, bei hohem Seegang, ist der Job allerdings auch nicht leicht. Wird man seekrank, dann steht man als Steward voll im Mittelpunkt des Spotts. Und dabei geht es den Anderen auch nicht besser. Ein Matrose oder ein Maschinist finden da schon eher eine ruhige Ecke im Schiff. Vom Steward erwarten alle, dass er immer gut drauf ist, freundlich und schnell.

Wem "Steward" zu vornehm ist, der sage einfach und seemännisch "Backschafter" zu mir.

Rolfs Gedanken zur Mannschaftsmesse sind unter Schiffstechnik & Seemannschaft/4. Kost & Logis zu sehen.
Und am Ende sogar eine Havarie!

ThaelmannPionier1k.jpgAm 5. Februar 1963 kam die GERA bei schwerem Eisgang vor Korsør fest. Die Leichterung des Schiffes durch den Dampfer THÄLMANN-PIONIER gemeinsam mit dem Hochseeschlepper EISVOGEL war nicht einfach. Am 12. Februar 1963 geriet eine gerissene Kunstfaserleine in den Propeller des Dampfers, der durch seine Manövrierunfähigkeit in dieser kritischen Situation auch noch ausfiel. Am 14. Februar gelang den beiden DSR-Schiffen gemeinsam mit den herbeigerufenen dänischen Schleppern GARM und SKULT die Abbergung der GERA.

Von Schiffe/Frachter, groß/Typ-IV/12 Typ IV#GERA
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Motorschiff GERA, eine weitere Indien-Reise 1963:
Rostock - ... - Chittagong - ... - Bedipunder im Golf von Cutch (Kachchh) - ... - Rostock
ABa Reiseinformation anhand der Quellen: "Labskaus..." F. Seibicke 2012 S. 393; Rolf selbst; www
Bordkatze

Mein persönlicher Bezug zu diesen Katzenbildern: Wir liegen mit der GERA in Grand Coronne in Frankreich, einem Flusshafen in der Seine, unterhalb von Rouen, wir laden Mehl. Die Gezeiten wirkten sich hier im Fluss so stark aus (die Flutwelle war einen halben Meter hoch), dass die Maschine jedes Mal gegendrücken musste, um das Schiff an der Pier zu halten. Aufgrund der zu geringen Wassertiefe der Seine haben wir einen Teil der Ladung in Antwerpen zugeladen. In Antwerpen waren dann inzwischen auch unsere bestellten Lederjacken fertig. Ja, und die Katze habe ich eben schnell mal fotografiert.

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Selbsterlebte andere Tiere an Bord waren: Hund, Schwein, Affe und Fische im Aquarium
Zahnweh auf See

Wenn man die Zangen beim Schiffsarzt gesehen hat, dann vergeht einem erst einmal der Zahnschmerz. Wieso? Das erinnert so an das Kolbenziehen an einem Schiffsmotor: Kolbenringzange, Kettenzug, Vorschlaghammer, Törnstange und …
Vielleicht hilft auch eine Schmerztablette über das aufkommende Zahnreißen hinweg - in wenigen Tagen erreichen wir doch den Hafen Chittagong im damaligen Ostpakistan. Dort praktiziert ein Zahnarzt, der in Hamburg studiert hatte, und deshalb unser Deutsch verstehen konnte - sonst eben Englisch. In meiner Erinnerung waren wir drei oder vier Leute von der GERA, die an Land zum Zahnarzt mussten. Sehr interessant, aber auch beeindruckend und angsteinflößend waren die Vitrinen im Wartezimmer. Vielleicht, es muss jetzt nicht stimmen, lagen in den Vitrinen über hundert gezogene Zähne. Ausgestellt. Trophäen.
Tage danach hatte sich ein weiterer Zahn-Leidender beim Schiffsarzt eingefunden. Da er aus der Maschine war, wurde ich angesprochen, ob ich, da ich ja bereits in der Stadt zur Behandlung gewesen war, den Weg dahin wiederfinde und mit H… zum Zahnarzt gehen würde. Ich bekomme arbeitsfrei. OK. Wir gehen die Pier entlang. Vorbei an Schiffen. Die Schritte von H… wurden immer langsamer, bis zum Stehenbleiben. "Meine Zahnschmerzen sind weg. Ich gehe nicht zum Zahnarzt!" Das sagte er, und es fiel ihm ein Stein vom Herzen. Erlöst. Aber was nun? Zurück an Bord konnten wir jetzt nicht gehen. Das wäre wirklich zu peinlich. Also sind wir auf ein fremdes Schiff zur "Schiffsbesichtigung". Das geht so, natürlich auf Englisch: "Wir bitten an Bord kommen zu dürfen". Vielleicht ein Bier schnorren. Als Seemann ist man immer ein willkommener Gast.

Bordküche Zwei

Unser Zielhafen war "Bedipunder". Die Stadt, mindestens aber den Hafen gibt es wirklich, wir waren doch dort. Persönlich, mit eigenen Augen gesehen. Der Name war uns so vertraut wie etwa Bombay oder Havanna. War aber wahrscheinlich sehr unbedeutend, denn ich kann diesen Ort auf der Landkarte nicht finden.
Ja, wir sind mit der GERA in Bedipunder in Indien. Wir liegen auf Reede. In einer Bucht. Einen Hafen habe ich nicht gesehen. Die Ladung wurde uns mit Segelschiffen angeliefert. Die Ladung, das waren Erdnüsse. Dass es eine unvorstellbar große Menge war, will ich nur am Rande bemerken. Die GERA war ja auch ein großes Schiff. Die indischen Schauerleute wohnten für die Zeit des Ladebetriebes, viele Tage, an Bord bei uns. Hallo, in den Passagierkabinen? Nee, sie rollten ihre Reisstrohmatte an Deck aus, und "Gute Nacht".
slr-sc06-04-Bedipunder.jpg Auf dem Foto wird für diese Arbeiter gerade das Essen zubereitet. Dreimal am Tag das gleiche. Wahrscheinlich zeigt das Foto die Bereitung des Mittagessens. Ist aber im Prinzip egal, denn Mehlfladen und eine Suppe gab es ja, wie gesagt, dreimal am Tag. Die Suppe ist fertig, auf dem Foto. Hinter dem Suppenkübel steht eine große Schale mit Mehl und etwas Wasser drin. Der Koch formt gerade einen Fladen. In der Blechschale auf dem Feuer, links, werden die Fladen gebacken. Siehst du das Feuer? Ein Farbfoto wäre günstiger. Der Poller im Bild, es ist ein Doppelpoller, zeigt, dass wir uns auf einem Schiff befinden. Kannst es glauben. Nun, und ich bin da auch zu sehen. Die typische Sitzhaltung dieser "Ureinwohner" habe ich mir inzwischen auch angeeignet. Man kann stundenlang sitzen.
Die genannte Suppe, das war eigentlich eine aufgekochte Gewürzbrühe. Der Koch, oder die Köche begannen sehr früh am Morgen in einem Mörser die Gewürze zu stampfen. Genauer kann ich das nicht beschreiben. Dieses Gewürz wurde aufgekocht zur Suppe. Davon bekam jeder Arbeiter seine Portion in die "persönliche" Blechbüchse. Die Mehlfladen wurden darin eingetunkt. Ganz ohne Löffel.
Vor dem Frühstück erhielten die Schauerleute in eben diese persönliche Blechbüchse ihre Ration Trinkwasser. Wie wichtig doch diese Blechbüchse war. Mit diesem Wasser wurde auch (lieber Leser, kannst schmunzeln, aber so war das eben) die morgendliche Körperpflege gemacht. Mit so wenig Wasser, für uns undenkbar. Das Wasser bekamen diese Leute in Kanister von Land. Das heißt, der Koch bekam das Wasser, er verteilte es.
slr-sc06-03-GERA-Bedipunder.jpgLieber Leser, wirst denken, na, da könnten doch "die vom Schiff", also wir von der Besatzung, aus den Ressourcen des Schiffes mit Wasser aushelfen. Im Notfall hätten wir das doch auch getan. Aber wir mussten selbst mit Wasser sparsam umgehen.
Abends wurden in den Feuerschalen für Fladen Erdnüsse geröstet. Die Nüsse wurden vorher in Seewasser (weil Salzwasser) eingeweicht und dann geröstet. Solche gerösteten Nüsse haben wir uns eingetauscht gegen Zigaretten. Übrigens, lieber Leser, rohe Erdnüsse kann man nicht essen, die schmecken wie Seife.
Wenn der Kran, in unserem Falle das eigene Ladegeschirr, eine Netzbrook (Ladungsnetz) Erdnüsse vom Lastensegler zu uns an Bord in den Laderaum hievte, waren immer aufgeplatzte Säcke dabei. Die Nüsse landeten an Deck. Diese Nüsse wurden einfach in den Laderaum geschaufelt.

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Im Heimathafen erlebte Rolf während einer Maschinenwache eine besondere Abwechslung: Die Flügel

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Mit ERNST MORITZ ARNDT (1) in die Karibik

Eigentlich EMA abgekürzt, aber wie "Emma" ausgesprochen

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Die "EMMA" in Wismar. Dort hatten wir Masut gebunkert.
Zahnweh in Wismar

Wenn wir Seeleute im Heimathafen, etwa in Rostock oder in Wismar, nun doch einmal einen Arzt oder Zahnarzt aufsuchten, dann mussten wir das Seefahrtsbuch dort hinterlegen. Man war eben vorübergehend nicht "seetauglich". Ist ja auch gut so. Denn zum Auslaufen eines Schiffes muss der Kapitän bestätigen, dass alle Mann an Bord gesund sind.
Mein Problem, es war in Wismar, war ein böser Zahn. Eigentlich sollte dieser Zahn behandelt werden, hat mir die Zahnärztin nahegelegt. Aber das könnte eine Woche dauern. Was nun? Morgen laufen wir aus. Nach Kuba/Mexiko. Da will ich unbedingt mit! Also wurde der "böse" Zahn gezogen. Man muss eben Opfer bringen. Und ich bekam mein Seefahrtsbuch wieder.

Und hurry, zurück an Bord.

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Die "EMMA" auf See. Von den Mühen der Seeleute gegen die immerwährende Korrosion.
Hier am dampfbetriebenen Verholspill auf der achteren Manöverstation.
Krank in Mexico (1)
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Schornstein der "EMMA" mit Typhon und Peilrahmen

Leider hatte ich meinem Schiff Ärger und Kosten verursacht. War eben Pech. Ich habe hier mal aufgeschrieben, wie es sich ungefähr zutrug. In Mexiko, der Hafenstadt Coatzacoalcos. In der Indianersprache heißt Coatzacoalcos: "Ein Ort, an dem eine Schlange lebt".

Mein Schiff war das Dampfschiff "Ernst Moritz Arndt" (die "EMMA") (vgl. Ankaufschiffe-EMA mit Foto von Rolf). Ich hatte ab Mittag wachfrei und wollte unbedingt an Land. An Bord war es vor Hitze nicht mehr auszuhalten. Selbstverständlich ging es den anderen Leuten der Gang ebenso. Ich hatte aber frei und konnte an Land. Die Hitze im Maschinenraum und zwischen den Kesseln war unerträglich, 55 Grad. An Land war es dagegen echt frisch, bei vielleicht 30 Grad im Schatten. Das Wort Schatten möchte ich etwas hervorheben. Denn da, wo ich an Land meine Wanderung, meine 'Fotoexkursion' machte, gab es keinen Schatten. Meine Krankheit, die ich mir heute Nachmittag holte, war wahrscheinlich ganz einfach ein Sonnenstich. Mehrere Stunden war ich in der Prärie auf Foto-Pirsch. Ohne Kopfbedeckung. Auf dem Weg zurück zum Hafen habe ich mir eine CocaCola geleistet. Ja, echt geleistet, denn an Bord ist eine VitaCola wesentlich billiger. Doch ich hatte übermäßigen Durst. Die CocaCola war eiskalt, dazu noch Eiswürfel im Glas. Zisch und weg.

Zurück an Bord meldete sich mein Magen mit Schmerzen über Schmerzen. Als Ursache vermutete ich die Eiscola. Das stimmte zum Teil. Meine Wache unten im Keller (im Maschinenraum) begann 20 Uhr und ging bis 24 Uhr. Unser Schiff wurde mit Schwefelkies-Pulver beladen. Deshalb waren alle Lüfter abgestellt oder mit Planen abgedeckt. Im Maschinenraum war es nicht auszuhalten. Die Wache wurde immer von zwei Mann gehalten, dem Heizer und dem Maschinisten. Ich war der Maschinist. Auf See gehörte immer noch der Wachingenieur zur Maschinenwache. Im Hafen machte er aber nur Bereitschaft in seiner Kabine. Wegen der Magenschmerzen und meiner völligen Benommenheit hatte mir mein Heizer alle meine Arbeit abgenommen. Ich konnte dann wenigstens den Notausstieg am Ende des Wellentunnels hochsteigen und bissel frische Luft schnappen.

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Skoda-Busse an Deck der "EMMA" für Cuba

Am nächsten Morgen war ich krank. Ich konnte meinen Dienst um 8 Uhr nicht antreten. Das Schiff bereitete sich aber bereits auf das Auslaufen vor. Von Mexiko nach Westeuropa. Ich benötigte einen Arzt. Eine Atlantiküberfahrt mit einem Kranken an Bord wollte der Kapitän nicht riskieren. Jemand von der Handelsagentur brachte mich im Pkw zu einem Arzt.

Der mexikanische Arzt hatte seine Probleme mit mir. Ein großes war die Sprache. Deutsch und Spanisch gingen nicht. Englisch nur schlecht. Mit einigen Begriffen wie etwa 'Schmerzen' oder 'Magen' oder 'was hast Du gegessen' und 'was haben die anderen Leute an Bord gegessen' und 'sind die auch krank?' haben wir uns meiner Krankheit angenähert. Beladen mit Medikamenten wurde ich an Bord zurückgebracht. Nebenbei gesagt, der Preis für die Medizin und den Arzt, den das Schiff bezahlen musste, war horrend. Als ich an Bord zurück war, ging unser Schiff in See.

Folgende Nacht hatte die Arznei schlimme Nebenwirkungen bei mir ausgelöst. Mein Kopf und meine Hände schwollen an. Auf doppelte Größe. Meine Augen waren im Gesicht verschwunden. Die Schmerzen waren jetzt überall. Es war klar, da lief etwas schief. Zuständig für medizinische Notfälle an Bord war der zweite nautische Offizier. Wenn dieser nicht mehr helfen konnte, er war ja nun mal kein Arzt, wandte er sich über Funk an eine internationale Stelle für kranke Seeleute. In der Sorge um mich wurde unsere Stewardess bemüht, mich zu untersuchen. Auf Blinddarmentzündung. Wieso die Stewardess? Nun, sie war vor ihrer Seefahrtszeit Kinder-gärtnerin. - Ihr seht, alle waren besorgt um mich.

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Busse vom Deck der "EMMA" auf die Plattform
eines Schwimmkranes
Vielleicht hatte die kubanische Küstenwache unseren Funk mitgehört, denn sie erfragte die Schiffsposition und den Sachverhalt zu dem Kranken an Bord. Daraufhin kam der Kapitän in meine Kammer und sagte mir, ich solle mich darauf vorbereiten, dass mich eventuell die Marine mit einem Hubschrauber abholt und in ein sowjetisches Krankenhaus bringt. Also, es begann interessant zu werden. Mir war aber nicht wie Lachen.

Doch das Schiff bekam die Order "Einlaufen Havanna-Innenreede". Ich werde mit einem Boot vom medizinischen Dienst der Seefahrt, oder so ähnlich, abgeholt. So war die Information. Als das Boot kam, um mich zu holen, gab es wieder eine Wendung. In Havanna lag das DDR-Handelsschiff MS "Freundschaft". Der Schiffsarzt der "Freundschaft" war mit im Boot, er wusste von meiner Situation und wollte mit mir sprechen. Er sicherte mir zu, mich wieder gesund zu machen. Bei mir blieb die Entscheidung, ob Krankenhaus in Havanna (konnte mir eigentlich gut gefallen) oder an Bord der "Freundschaft" in Obhut des Schiffsarztes, der mir Heilung verspricht (logisch, dass ich das annehmen musste). Es wurde umorganisiert und das Boot brachte mich nicht ins Krankenhaus, sondern zur "Freundschaft". Natürlich war dies die richtige Lösung - aber im Krankenhaus, in klimatisierten Zimmern mal richtig ausschlafen, das stellte ich mir auch schön vor.

Der Aufwand und vielleicht auch der Ärger und vor allem die Kosten, die ich verursachte - all das tut mir leid. Ich konnte nicht dafür, war einfach nur Pech.
Teil 1 aus ex "Krank in Mexico": Seeleute Rostock e.V., März 2009

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Mit FREUNDSCHAFT zurück nach Hause

Krank in Mexico (2)

Das Lazarett-Zimmer an Bord der "Freundschaft" war nun mein neues Zuhause. Ein Krankenzimmer auf einem Schiff ist in der Regel völlig überflüssig. Die Leute an Bord sind gesund. Der Doktor hatte dieses Zimmer in sein persönliches Museum umfunktioniert. Schön. Der Schiffstyp und das Leben auf einem Typ IV-Schiff waren mir vertraut. Ich war auf dem MS "Gera" gefahren, ebenfalls ein Typ IV, damals auf Ostasienreisen. Welch Zufall, den Steward, der mir das Essen ans Bett brachte, kannte ich von der "Gera". Wir kannten uns. Er war dort Matrose. Nach einem Unfall konnte er nicht weiter als Matrose fahren und wurde zum Steward umgemustert. So ist es eben manchmal. Einige von der Besatzung der "Freundschaft" interessierten sich für mich und besuchten mich im Krankenzimmer. Dies hatte aber zum Teil ebenfalls mit der "Gera" zu tun, weil nämlich einige Leute einer früheren "Freundschaft"-Besatzung später auf der "Gera" fuhren. Etwa Bäcker Kuhse. Da ich diese Leute alle kannte, hatten wir ausreichend Gesprächsstoff. Wie oben schon beschrieben, ich komme gerade als Kranker von der "Ernst Moritz Arndt". Die Gera-Zeit liegt länger zurück.

Meine Genesung war eine Frage der Zeit, weniger der Arznei. Der Schiffsarzt hatte mehrere Erklärungen für meinen Zustand: War es der Sonnenstich? Hoffentlich bleibt da nichts zurück... zurück... Es gab eine weitere Erklärung für meinen Zustand - traf bei mir aber sicher nicht zu: Wenn Fischer im Nordpolarmeer wochenlang keine Sonne haben, wegen Nebel, aber auch bei Polarnacht, und dann, wenn das Schiff dieses Gebiet verlässt und die Sonne wieder voll vom Himmel knallt, kommt es bei den Fischern zur Überproduktion an Vitamin D. Die Folge ist ein eigenartiges Krankheitsbild. Genauer wollte ich es gar nicht wissen, mir ging es wieder gut.

Krank war ich ungefähr zwei Wochen. Als ich gesund war, aber noch von der Arbeit befreit, erhielt ich vom Schiffsarzt Ausgang, genauer gesagt Landgang. In Havanna kannte ich mich aus, zumindest im Radius, den man vom Hafen aus zu Fuß erlaufen konnte.

Nach dem Aufenthalt im Krankenzimmer war meine neue Unterkunft nun "unter Deck". Ich wohnte zusammen mit Stummel. Alle Kabinen waren Zweimannkabinen. Nur Stummel wohnte bisher allein, das war sein Privileg, er war von allen am längsten an Bord, und er wollte auch bis zum Verschrotten an Bord bleiben. Ich musste mich ihm sehr anpassen. Übrigens ging er nicht mehr an Land, er kannte schon alles.

Ein solches Schiff wie die "Freundschaft" und die "Gera" liegt noch in Rostock-Schmarl am Kai des IGA-Geländes als Museumsschiff. "Traditionsschiff Typ Frieden". Die "Freundschaft" war das zweite Schiff der Frieden-Klasse - das erste hieß MS "Frieden". Es ist so üblich, dass eine Schiffsserie nach dem Namen des ersten Schiffes betitelt wurde. Nach "Frieden" und "Freundschaft" folgten weitere Schiffe, nach Bezirksstädten der DDR benannt. Es waren Zehntausendtonner. Die "Gera" war ebenfalls ein Schiff dieser Serie, sie war das dreizehnte Schiff.

Da ich nun auf der "Freundschaft" anheuerte, war ich ein Besatzungsmitglied der Maschine. Für die Überfahrt nach Rostock wurde ich in den Wachplan voll eingebunden. Ich benötigte nur wenig Einweisung, um meine "Gera"-Kenntnisse und -Erfahrungen hier auf der "Freundschaft" einzusetzen. Meine hauptsächliche Erfahrung, die ich von der "Gera" mitbrachte, war allerdings: Nie wieder Typ IV!! Aber ich konnte es mir nicht aussuchen.

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MS "Freundschaft" - Blick zum Bootsdeck
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Blick von MS "Freundschaft" im Hafen von Havanna
slr-sc06-12-Freundschaft-Isabela.jpg Die Fahrt von Havanna nach Rostock führte uns noch für eine Woche nach Isabella de Sagua auf Cuba und eine weitere Woche nach Matanzas, auch auf Cuba.
Ich war rund acht Wochen an Bord der "Freundschaft". Da ich nun richtig zur Besatzung gehörte, war die "Freundschaft" mein Schiff. Das bedeutete aber normalerweise auch, während der Hafenliegezeit in Rostock paar Tage nach Hause auf Urlaub und dann wieder in See. Doch ich hatte von den Tropen erst einmal die Nase voll. Und ich brauchte Erholung.

Nun, lieber Leser, es gab die Frage: "Wann war das eigentlich"?
Auslaufen aus Wismar mit der "EMMA": 14. Januar 1964
Auslaufen Coatzacoalcos mit der "EMMA" am: 08. März 1964
Einlaufen Havanna und Umsteigen auf die "Freundschaft": 12. März 1964
Einlaufen Rostock mit der "Freundschaft": 22. April 1964
Absteigen von der "Freundschaft" in Rostock: 06. Mai 1964
Lieber Leser, ich musterte von der "Freundschaft" ab und fuhr anschließend zwei Jahre mit der "Senftenberg" ins Nordmeer, zigmal nach Murmansk.
Teil 2 aus ex "Krank in Mexico": Seeleute Rostock e.V., März 2009
Schiffe/Frachter, groß/Typ-IV/12 Typ IV#02-Freundschaft

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Noch ein Wort zum MS FREUNDSCHAFT

Der Fahrstand

Einmal davon abgesehen, dass wir Typ-IV-Fahrer natürlich genau wissen, wo und was der Fahrstand im Maschinenraum ist, alle Besucher des Traditionsschiffes DRESDEN wissen es auch. Sie stehen davor, und sehen es mit 'eigenen Augen'.
Doch habt ihr es gewusst, dass die zwei ersten Schiffe der Typ-IV-Baureihe, die FRIEDEN und die FREUNDSCHAFT den Fahrstand tiefer hatten als die nachfolgenden? Er stand auf solchen den Doppelboden (Motoröltanks) bedeckenden Flurplatten. Nach einigen Jahren Einsatz wurden die Fahrstände dieser zwei genannten Schiffe ebenfalls, wie bei den weiteren Schiffen dieses Typs, auf das höher eingezogene Plattformdeck gesetzt. So wie jetzt beim Traditionsschiff DRESDEN zu sehen.

Ich kenne den Fahrstand der FREUNDSCHAFT (aus 1964) noch im Zustand "unten". (Hier eine Bemerkung, da ich vor der FREUNDSCHAFT bereits auch auf der GERA gemustert war, kannte ich den "hochliegenden" Fahrstand, so wie er später üblich war.) Im Prinzip war der Fahrstand der FREUNDSCHAFT ebenso gestaltet, wie man ihn jetzt kennt. Allerding war der Fahrstand eingehaust, d.h. rundum mit Wänden verkleidet und mit Fenstern (ei, die Fenster selbstverständlich nicht nach außenbords) und einer Zugangstür versehen. Diese Einhausung erbrachte eine Schalldämmung. Und die Belüftung war günstiger als bei der späteren offenen Variante. Außerdem verliefen unter den Fenstern schmale Borde als Ablagen für Schreibzeug, und es war Platz für eine Miniküche (sehr, sehr mini!). Ein Wasserkocher, Tassen und Vorräte an Tee und Gekörnter Brühe. Also ganz komfortabel.
Und da war eine Sitzgelegenheit für den Chief. Der Chief kam gern in den Maschinenraum. Als Gast. Er hatte dort seinen Stammplatz. Und sein Lieblings- und Stammthema: Brasilien.

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Mit SENFTENBERG ins Nordmeer

Christbaum der SENFTENBERG
Die Fotos zeigen den weithin sichtbaren Weihnachtsschmuck der SENFTENBERG. Und richtig,
die ersten Typ-IX-Schiffe hatten eine 'Telefonzelle' (Ausguck) auf dem Vorschiff, hoch oben.
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Für die "Telefonzelle" gibt es sogar einen Fachbegriff: Eisfahrstand. (ABa, Aug. 2017)
Die Fotos machte Rolf zu Weihnachten 1964, auf der Reise von Rostock nach Safi in Marokko.

Weihnachten an Bord

Vorn, hoch auf dem vorderen Mast, steht unser Weihnachtsbaum. Der Schiffselektriker hat ihn 'belichtelt'. Alle Schiffe setzen diese Weihnachtslichter. In jeder Messe steht ein Weihnachtsbaum. Nach Seemannstradition läuft am Heiligen Abend kein Schiff aus. Es geht vorher in See. Wir sind auf Seetörn nach Safi in Marokko.
Am Weihnachtsabend trifft sich die Besatzung in der Offiziersmesse zur gemeinsamen Feier. Glühwein, Freddys Seemannsweihnacht, etwas zum Naschen ... Bis zum Fest sammelte der Funker alle Weihnachtstelegramme von zu Hause. Jetzt liest er sie vor: „... Deine liebe Gabi“, „... Deine Mutti“, „... Deine Geschwister“. Wer kein Zuhause hat oder vergessen wurde, bekommt vom Funker ein Telegramm außer der Reihe: „... Dich grüßen alle Klöppelmäd aus dem Erzgebirge ...“!
 
E Raacherkerzl wird a'gezünd. Ich hob mer salber e Raachermannl gedrachselt, an dar grußen Drehbank unten im Maschinenraum. Dos bringt e bissl Hamit of dos Schiff.

Ex "Christbaum SENFTENBERG": Seeleute Rostock e.V., 11/2009

Winter in Murmansk

Seit zwei Tagen fahren wir mit der SENFTENBERG jenseits des nördlichen Polarkreises. Auf spiegelglatter See zieht unser Schiff durch die Polarnacht. Das Nordkap liegt hinter uns. Wir steuern die Kolabucht an, halten Kurs auf Murmansk.
In Murmansk ist es sehr kalt, so um minus 35 Grad. Der Hafen bleibt aber eisfrei. Ein Ausläufer des Golfstromes hält den Kolafjord offen. Wir liegen auf Innenreede und warten auf einen freien Liegeplatz. Unsere Pier ist die Schüttanlage für Apatit. 10 Tausend Tonnen Apatit werden unsere Ladung.
Morgens, wenn der Frost am stärksten ist, steigt der Nebel aus dem Wasser. Eine Sicht wird fast unmöglich. Tag und Nacht geben sich die Schiffe gegenseitig Signale und Zeichen, um ihre Standorte anzuzeigen und zu warnen. Hart und vor allem frostig ist es für die Matrosen, die Stunde um Stunde den Nebelgong oder die Schiffsglocke schlagen müssen. Und hören und schauen und riechen sollen.
An den stark unterkühlten Schiffsaufbauten, den Masten, Bäumen, Rohren, Antennen und am Tauwerk schlägt der Nebel als Rauhreif nieder. Als Eis. Fingerdicke Leinen werden armstark. Die Antennenanlage erscheint wie ein gewaltiges Rohrsystem, hoch in der Luft. Unser Schiff vereist langsam. Schnee verschüttet die Decks. Die hier vor Anker liegenden Schiffe gleichen gewaltigen Schneebällen.
Mittags erhellt sich der Himmel im Süden etwas. Gespenstisches rosa Dämmerlicht liegt über dem Fjord und dem Hafen. Nachts, wenn sich der Nebel verflüchtigt hat, bietet sich ein herrliches Bild des Polarhimmels. Die Sterne leuchten übergroß.
Nach längerer Reedeliegezeit werden wir endlich an die Ladepier geschleppt. Doch zuvor erlebten wir die nachfolgende Begebenheit. Das Beladen mit Apatit geht schnell, in ein bis zwei Tagen ist das Schiff voll.
Beim Auslaufen gibt es wieder große Probleme wegen des Nebels. Die Sicht ist gleich Null. Wir können uns nur schrittweise vorarbeiten. Im offenen Fahrwasser, als wir die Kolabucht verlassen, verbessert sich die Sicht rasch und wir haben freie Fahrt. Auf Heimatkurs mit vollen Segeln. 
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Verloren in Murmansk

Heute Abend sollte unser Schiff, die SENFTENBERG, von der Innenreede Murmansk an die Schüttgut-Pier im Hafen (siehe Foto weiter unten) verholen.
So gegen neunzehn Uhr fuhren wir, Hans und ich, mit einer Barkasse des Interclub an Land. Zum Einkaufen und vielleicht ein Bier trinken. Eine Zeit für die Rückfahrt haben wir nicht vereinbart; wozu denn auch, das Schiff kommt ja bald nach.
Null Uhr beginnt für uns der Dienst in der Maschine. Wir hatten die Null-Vier-Wache.
Rechtzeitig sind wir im Hafen. Doch unser Schiff leider nicht! Das lag hell erleuchtet draußen in der Bucht vor Anker. Auf der SENFTENBERG war es bestimmt schön warm …
slr-bl12rb-196502-pic6.jpgKalt war es hier. Den Schal um den Kopf gewickelt, tief in das Jackett gerutscht standen wir an der Pier. Was nun? Unsere Uhren zeigten kurz vor Zwölf an. Doch das war Bordzeit. Hier in Murmansk war es bereits zwei Stunden später. Wie sollten wir um diese Zeit, um zwei Uhr morgens, zurück an Bord kommen?
„Da vorn liegt russische Kriegsmarine ..., ob die uns vielleicht ...?“ „Naja, aber mit einem Boot - wir würden ja auch rudern - könnten die uns doch ..., ist ja nicht weit ...“
Also wird gefragt.
Die russischen Matrosen verstanden uns nicht, aber sie konnten sich natürlich denken, was unser Problem ist. Wenn ich erst auf mich zeige und dann auf das Schiff da draußen und dann paar Schwimmbewegungen mit den Armen mache, dann versteht es doch jeder.
Ja, sagten sie, wäre schon möglich, um vier Uhr (Ortszeit) fährt ein Boot der Marine zur gegenüberliegenden Seite der Bucht. Also an unserem Dampfer vorbei. Da könnt ihr vielleicht mitfahren. So richtig sicher war mir diese Zusage aber nicht. Also warten. Die Kälte wurde unerträglich. Wir waren nicht darauf eingestellt. Während die Leute in Murmansk Filzstiefel tragen, laufen wir in Halbschuhen umher.
Ein Offizier der Marine schleppte uns mit sich fort. Gesprochen haben wir nicht, konnten uns nicht verstehen. „Jetzt gibt es eine geheizte Wachstube, dort filzen wir bis morgen früh ... Wir hätten im "Arktika" lieber mehr essen sollen und dafür etwas weniger Schampanskoje (Krimsekt) trinken.“
Die alte Holztreppe knarrte, als wir zur Funkbude des Hafendispatchers hochstiegen. Funkgeräte, Telefone, UKW-Sprechgerät - von hier wurden die Schiffsbewegungen in der Kolabucht geleitet.
Der Dispatcher war über unser Erscheinen erfreut, war es doch eine Auflockerung seines einsamen Dienstes. Nach einigen Anrufen unseres Gastgebers erfuhren wir das, was wir schon wussten: Die Marine nimmt uns mit, um vier Uhr.
Oh, werden die an Bord auf uns warten - aber die können sich doch denken, wo es klemmt.
„Hier für Dich“, sagte der Dispatcher zu mir und übergab mir ein Telefongespräch. Am anderen Ende war der Interclub, die wussten nun inzwischen auch von unserem Missgeschick, und sie wollten uns helfen. Wir sprachen miteinander auf Englisch. „Ihr könnt mit einem Boot von uns mitfahren, bitte kommt zur -------- Pier“. Ja, wo ist denn nun aber diese genannte --- Pier? Das erfuhr ich nicht. Und unser Freund, der Dispatcher, könnte es natürlich erklären. Doch wir verstanden ihn nicht. Bissel Russisch, bissel Englisch und bissel Deutsch, es reichte einfach nicht.
Die peinliche Lage änderte sich plötzlich. Ein Genosse von der Agentur nahm uns mit zum Hafen. Ein Schlepper brachte mehrere Lotsen zu den Schiffen auf Reede. Wir konnten mitfahren.
Na, ist ja noch mal alles gutgegangen - mit bissel Verspätung.

Ex "Winter in Murmansk": Seeleute Rostock e.V., 05/2009 & 12/2017
Currywurst zum Frühstück!

Wo soll die Currywurst herstammen? Aus Berlin oder gar aus Hamburg? Pustekuchen! Die DSR hat's slr-bl12rb-196511-Speiseplan.pdferfunden! laugh.gif

Klicke rechts auf die Abschrift des  Speiseplans für KW44 1965.

Currywurst vom Schiffskoch

Im obigen Speiseplan steht die Currywurst an erster Stelle. Hat sich zufällig so ergeben. Zeigt aber, dass der Schiffskoch und die Küchenkommission wussten, was den Leuten an Bord schmeckt.

Die "damalige" Currywurst bestand aus einem (1) Stück, eben einer (1) Wurst. Noch heute, zuhause, ist das "meine" Currywurst. Wie an Bord. Andere Leute kennen nur die Currywurst aus dem Häcksel-Automaten. - Guten Appetit.

Seemannssonntag

slr-bl12rb-1965sppl-kw44.jpg Den Original-Speiseplan aus der Mannschaftsmesse der SENFTENBERG habe ich vor mir liegen. Mit Schreibmaschine auf dünnem Durchschlag-Papier festgehalten. Der Speiseplan zeigt eine Woche Bordverpflegung auf unserem Schiff. Es ist eine Woche im November 1965. Ganz zufällig die Woche vom 1. bis 7. November 1965. Dieser Speiseplan ist typisch für die Schiffe der Deutschen Seereederei Rostock. Ich möchte aber darauf hinweisen, es gab noch hunderte weitere Gerichte.

Im vorliegenden Speiseplan fehlt allerdings die 'Coffeetime'. Die Coffeetime ist ganz wichtig. Sie ist so selbstverständlich an Bord, dass sie gar nicht im Speiseplan genannt wird. Der Donnerstag ist nach ewiger seemännischer Tradition ein Seemannssonntag. Der eigentliche Sonntag bleibt natürlich ebenfalls der Sonntag. An diesen zwei Tagen ist Coffeetime. Schon morgens gibt es Kaffee oder Kakao. Nachmittags dann Kaffee und Kuchen. Für die Leute vom Tagesdienst ist eine Stunde früher Feierabend. Die Männer aus der Maschine und von der Brücke haben um 16 Uhr Wachablösung und kommen nun ebenfalls zur Coffeetime in die Messe. Dafür gibt es abends "nur" Kalte Platte = Wurst-, Käse- und Beilagenteller auf der Back.

Ganz unabhängig vom regulären Speiseplan ist der Kühlschrank in der Messe immer mit Brot und Schmalz und Wurst und Butter bestückt.

Motorenwärter warten...

... das Herz eines Motorschiffes mit all der dazugehörigen Peripherie.

Erinnerungen aus dem Maschinenraum der SENFTENBERG

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Der Einspritzbeginn

Der Dieselgenerator war fertig überholt. Nur noch die Düsen einsetzen und die Leitungen entlüften. Noch Probelauf und langsam belasten und Öldruck beobachten usw. Aber erst mal eine kleine Smoketime, die hatten wir uns jetzt echt verdient. Unser III. Ing. hatte zugeschaut beim Ermitteln und Einstellen des Einspritzbeginns.
Kaum hatten wir beiseite geschaut, wiederholte der III. Ing. unsere Messung. Nicht etwa, um uns zu kontrollieren, sondern aus Interesse. Aber das Unglück dauerte nur eine Sekunde.
Da gab es nämlich einen Trick, einen ganz einfachen. Aber sehr wichtigen. Den oberen Totpunkt des Kolbens ertasteten wir mit einer Messuhr. Der Fühler einer Messuhr ist aber zu kurz, um durch die Düsenbohrung hindurch bis zum Kolbenboden zu reichen. Da steckten wir einen Verlängerungsdorn dazwischen. Ganz, ganz wichtig ist dabei, dass der Kolben bereits ungefähr im oberen Totpunkt stehen muss. Sonst fällt der Dorn hinein.
Beim III. Ing. verschwand der Dorn in den Verbrennungsraum. Ei, zu spät. Pech gehabt. Da musste nun der Zylinderkopf doch noch einmal herunter, um an den Dorn heranzukommen.

Klar waren wir schadenfroh, aber keinesfalls gehässig.

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Ex "Motorenwärter warten...": Seeleute Rostock e.V., März 2012
Frische Fische
Mit der SENFTENBERG von Rostock nach Murmansk, 1965. Ein großer Fisch, von den Fischern in die Höhe gehalten, sollte heißen: Fisch gegen Schnaps. Schon aus der Ferne ist an der Gestik der Fischer zu erkennen, dass sie etwas zu verkaufen, besser gesagt zu tauschen haben.
Ihr Fischkutter ist noch gut eine Seemeile voraus. Das entspricht etwa fünf Minuten Fahrt für unser Schiff. Jetzt muss schnell geklärt werden, wollen wir tauschen, dürfen wir, brauchen wir Fisch, haben wir Schnaps …
Die Entscheidung ist gefallen, mit dem Typhon signalisieren wir unser "Kaufinteresse". Entsprechend Kurs, Wind, Geschwindigkeit und Zeichengabe des Fischerbootes wird das "Übergabemanöver" eingeleitet. Um unser großes Schiff nicht bis Null abzubremsen, fährt der Kutter in der Endphase neben uns her.
Wir haben ein wesentlich höheres Freibord als die Fischer, deshalb geht die Wurfleine von uns zu ihnen hinüber. Die Verbindung steht. Sie binden einen Beutel mit Fischen an unsere Wurfleine und geben das Ok zum Ziehen. Angeknüpft an unsere Leine ist die ihre, damit die Verbindung erhalten bleibt. Als Antwort, als Bezahlung, legen wir eine Flasche Schnaps in den Beutel. Und ab! Die Fischer füllen erneut Fische in den Beutel. Jetzt ziehen wir. Dies könnte stundenlang so weitergehen. Wer beenden will, löst einfach seine Leine.

Unser Koch stellt den Speiseplan um. Es gibt "Frische Fische"!

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Ex "Frische Fische": Seeleute Rostock e.V., Juli 2016
Sommer in Murmansk
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Die Apatit-Pier in Murmansk, und es war dort nicht nur kalt.
Hantel-Stemmen auf der SENFTENBERG
Wir hatten einige Sport- und Spielgeräte an Bord, etwa Bälle, Tischtennis, Luftgewehre und Boxhandschuhe und ein Akkordeon. Natürlich auch Bücher und Kartenspiele. Aber keine Hantel.

Kein Problem, da kann der Storekeeper helfen. Ein Rohr. Rechts und links einige Flansche aufgeschoben. Ein paar Heft-Schweißpunkte gesetzt. Schwarze Farbe drauf. Fertig ist die Hantel. Also ehrlich, meine Leute waren begeistert!

Trotzdem, vom Ersten Ing., meinem Vorgesetzten, gab es einen kleinen Rüffel: „Die Flansche sind Ersatzteile, und nun diese Hantel … was soll das?“

Aber diese Flansche waren doch nicht verloren, sie waren nur aufgefädelt und schnell wieder lösbar.
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Ex "Sommer in Murmansk": Seeleute Rostock e.V., Juli 2016
Schiffe/Bulker/Typ-IX und mit weiteren Fotos von Rolf unter Typ IX-Bildergalerie

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Mit THEODOR KÖRNER (1)

in London
Wir DSR-Seeleute haben doch alle Brennpunkte der Welt besucht, schmunzel. Auch ich war hier 1967 mit der THEODOR KÖRNER auf Tour. Ja, es ist wieder ein eigenartiger Zufall, dass es zwei gleiche Motive gibt - von H. und von mir. (Ich zeige hier aber nur meine eigenen Fotos.)
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in Sagua La Grande, Kuba
Unser Schiff, die THEODOR KÖRNER (1), liegt im Hafen von Isabela de Sagua auf Kuba. Wir schreiben das Jahr 1967 und laden Zucker für Rostock.

Liebe Leute, der Zucker, den wir in Isabela luden und mit nach Rostock nahmen, kam nicht aus dieser Fabrik, die wir besichtigen wollten. Denn dort wurde lediglich Rohzucker hergestellt. Die Besichtigung der Zuckerfabrik von Sagua la Grande wurde uns vom Makler vermittelt.

Zu einer vereinbarten Zeit, nachmittags, sollten wir abgeholt werden. Unsere Gruppe von dreißig Mann hielt sich am Hafentor bereit. Anstelle der bestellten und versprochenen Busse kam ein offener Laster. Die Hälfte unserer Leute musste stehen. Da uns, wir waren ja Seeleute, das Schaukeln und Springen des Wagens und auch die Zugluft nichts anhaben konnte, war es eben eine schöne Fahrt durch kubanische Landschaften. (Ganz so lustig empfanden wir das allerdings nicht.) Vorbei an Gehöften, Plantagen, Ochsenfuhrwerken, Cowboys und verfallenen Friedhöfen.

Unser Transport im offenen LKW entsprach etwa einer vorort üblichen Fahrt zu den Zuckerrohrfeldern. Den hohen Schornstein der Zuckerfabrik sahen wir schon in der Ferne.

Im Städtchen Sagua la Grande begrüßten uns die Leute mit "Alemán" und "Towarischtsch". Auch hier bettelten uns die Kinder an wegen Kaugummi (Chicle, chicle!) und Zigaretten (Cigarettes, cigarettes!).

Dann kamen wir zur Zuckerfabrik, wo mit Spezialtransportern der Eisenbahn, mit Ochsenkarren oder mit LKW das Zuckerrohr angeliefert wurde. Die Spezialwagen fuhren auf eine Kippvorrichtung und ließen ihre Ladung in eine Grube rutschen. Von dort brachte eine Fördereinrichtung das Zuckerrohr in das Fabrikinnere. Ich hatte den Eindruck, in einem voll betriebenen technischen Museum zu stehen. Riesige Anlagen, von Dampfmaschinen getrieben, vollführten einen Kampf mit dem Zuckerrohr. Das Baujahr dieser Fabrik soll 1911 gewesen sein.

Unser Führer war ein Betriebsmeister. Seine knappen Erklärungen gab er dem Fahrer unseres Lasters auf Spanisch. Dieser übersetzte ins Englische. Da er (der Fahrer) aber von der Zuckerherstellung keine Ahnung hatte, reimte er sich bisschen was zusammen. Das Englische übersetzte nun jemand ins Deutsche, und dabei kam das heraus, was sich bereits vorher jeder denken konnte. Ein Beispiel: Wir stehen vor den Dampfkesseln, unser Führer sagt: "Das ist die Speisewasserpumpe für die Kessel". Der Fahrer sagt: "Das ist die Pumpe für den Kessel". Der Dolmetscher: "Das muss irgendwie eine Pumpe sein". Die Umstehenden nickten und gingen weiter zur nächsten Station.

In riesigen Behältern kochte Sirup. Hier in Sagua wird aber nur Rohzucker hergestellt. Dieser ist grob und sieht braun aus. Weißzucker kommt später aus einer Raffinerie, wo Rohzucker zu Weißzucker weiterverarbeitet wird. Dieser Rohzucker ist sehr feucht. Wenn ein Schiff diesen Zucker als Schüttgut transportiert, dann duftet das ganze Schiff wie nach Rum. Dieser wird nämlich aus Zuckerrohr gemacht.
Das ausgepresste, ausgelaugte Stroh des Zuckerrohres dient als Heizmaterial für die Kessel. Jede Feuerstelle der Kessel hat ein Gebläse, mit dem das gehäckselte Zuckerrohr-Stroh in den Brennraum geblasen wird.

Die Rückfahrt nach Isabela de Sagua brachte uns tropischen Sonnenschein und tropischen Regen im Wechsel. Es war eine sehr interessante Sache, diese altertümliche Zuckerfabrik zu besuchen. Doch unsere einstimmige Meinung war:

"Nächstes Mal besichtigen wir eine Brauerei!!"

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Ex "Sagua la Grande": Seeleute Rostock e.V., Februar 2012
Bootsausflug
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Das Foto von 1967 aus Isabela de Sagua zeigt einen zufälligen Treff mit anderen Seeleuten (?). Mit dem Motor-Arbeitsboot, links im Bild, waren wir zum Baden gefahren. Beachte den einen unserer Leute in Gummistiefeln - wegen der Seeigel-Stacheln!
Foto und Text (gekürzt): Rolf Beckert, Chemnitz, 10/2012
Muscheln aus Kuba (oder eher Schneckengehäuse?)
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Fotos: Rolf Beckert, Chemnitz, 10/2012
Siehe auch Schiffe/Lehrfrachter/HeineKörner und La Paloma - mit weiteren Fotos von Rolf
Im Khaki nach Warnemünde
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Liegt das Schiff im Überseehafen und hat man viel Zeit, also keine Wache und keine Bereitschaft, da wird man doch schon bissel zappelig. Im Bereich Überseehafen ist nix los. Die Stadt Rostock ist nur mit dem Bus plus Straßenbahn oder mit der S-Bahn zu erreichen. Und - jetzt kommt's - ganz in greifbarer Nähe ist das Seebad Warnemünde! Aber da ist Wasser dazwischen, der Breitling. Was nun?

Ein sehr guter Vorschlag kam von einem nautischen Offizier: Wir machen einen Ausflug nach Warnemünde - mit einem Rettungsboot. Er stellte eine Crew zusammen, vielleicht so zwölf Mann. Große Aufregung. Ein abenteuerlicher Ausflug. Eine Bedingung von unserem Rettungsboot-Kapitän: Nur in Khaki-Uniform! Den Urlaubern, den Warnemündern und den Seemollis zeigen wir mal, wer hier die Kings sind!

Nun liegt zwar die Ausfahrt des Neuen Stroms ganz dicht an der Einfahrt in den Alten Strom in Warnemünde, aber hier ist die Staatsgrenze der DDR. Da existiert eine GÜST, eine Grenz-Übergangs-Stelle. Ja, ja, die eigentliche Seegrenze ist weiter draußen. Aber hier war ein Grenzposten. Es mag sich möglicherweise nur um wenige Meter (vielleicht 400 Meter) gehandelt haben, aber wir waren dabei, die DDR zu verlassen und umgehend wieder "einzureisen". Na, aber!

Für die Grenzer war das entstehende Problem, rein menschlich gesehen, natürlich eindeutig klar. Sie hatten unser Rettungsboot doch aus Richtung Überseehafen kommen sehen und glaubten uns ja auch, dass wir nur "zur Schau" nach Warnemünde wollten, doch sie hatten eben auch ihre Handlungsvorgaben einzuhalten. Aber wir durften passieren! Danke!

Dem Leser sei gesagt, die großen Handelsschiffe, die Eisenbahnfähren und die "Weiße Flotte" mussten sich natürlich nicht bei diesem Grenzposten an- und abmelden, das war anders geregelt.

Unsere Stunde in Warnemünde, in Khaki(!), war, na ehrlich gesagt, fast etwas peinlich. Wir waren zwar tatsächlich die Kings, konnten damit aber nichts anfangen. "Omi, Omi, schnell, gucke mal, da sind Engländer, die haben sich verlaufen"! Ich denke schon, dass da die Seemollis der Volksmarine mit ihren Uniformen mehr maritime Eleganz ausgestrahlt haben als wir. Aber wir waren die Kings.

Für uns jungen Seeleute war dieser Warnemünde-Besuch, im schmucken Khaki, etwas ganz Besonderes. Eigenartig, denn viele von uns kannten Havanna, Haiphong, Brasilien, Indien und die Bananenhäfen in Afrika, aber waren noch niemals in Warnemünde. Und unser Rettungsboot- Kapitän zeigte berechtigten Stolz, als er mit uns dort aufkreuzte.

Die Rückfahrt verlief problemlos. Ansonsten hätten wir unser Rettungsboot auch ein paar Meter über Land tragen können. Ohne dabei die Grenze zu verletzen. Unser "Auslaufen" aus dem Überseehafen und das gleich wieder "Einlaufen" in Warnemünde, mit Passieren der Grenzkontrolle, war eigentlich eine ganz einfache Sache. Eigentlich. Wir mussten nicht einmal auf die Ostsee hinaus (wollten wir ja gar nicht). Aber hier war eben die Grenze - im Seebad Warnemünde.
 Vergrößern! 
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GÜST Warnemünde (im Bild der Turm rechts von Leuchtturm/Teepott-Dach auf der nächsten Pier)

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Meine Weltumrundung mit der WERNER SEELENBINDER!

Die zeigen "Mecki" und ich unter Panama - Tokyo - Rijeka.
Dabei hatte ich diese Sicherheitsrolle 1967 zu besetzen.

Auf dieser Reise von November 1967 bis April 1968 leisteten wir bei Hawaii dem Kapitän der "Vantage Progress" aus New York ärztliche Hilfe, und das Fotoschapp stand mal unter Wasser.
Die DSR half den USA

Tagebuch 30. Dezember 1967: Wir haben Hawaii hinter uns. Bis Japan sind es nur noch einige wenige Tage. Am frühen Morgen drehte das Schiff vom tagelang gefahrenen westlichen Kurs hart auf Süd. Wir laufen einem amerikanischen Frachter entgegen, der "Vantage Progress" aus New York. Dieses Schiff hatte um ärztliche Hilfe gebeten. Wir waren dem Amerikaner am nächsten und hatten einen Arzt an Bord, Herrn Dr. Prodel.

Am Nachmittag sahen wir dann in der Ferne einen Punkt am Horizont. "Vantage Progress". Die Barkasse wurde klargemacht. Zwei Matrosen, zwei Steuermänner, unser Eisbär und natürlich der Schiffsarzt wurden ausgesetzt. Unser Doktor ganz in "Weiß".

Das amerikanische Schiff lag 600 Meter leewärts von uns. So wurde das Manöver sicherer. Unser Schiffsarzt wurde schon dringend erwartet. Der amerikanische Kapitän hatte Atembeschwerden und musste von einem Arzt behandelt werden. Unser Doc schaffte es. Er war drei Stunden beim "Alten" der "Vantage Progress".

Der Doktor und unsere Barkassenbesatzung kamen beschenkt zu uns an Bord zurück. Für unseren Kapitän und die Besatzung gab es Dank für die Hilfeleistung und Glückwünsche zum bevorstehenden Jahreswechsel.

Die Schiffe setzten ihre Reisen fort. Wir, die "Werner Seelenbinder", vom Panamakanal kommend weiter nach Japan. Der Amerikaner, die "Vantage Progress", von Südvietnam kommend zurück nach den USA. Noch ein Signal mit dem Typhon. "Sternenbanner" und "Hammer und Zirkel" wurden eingeholt.

Die Fotos zeigen das Übersetzen unseres Schiffsarztes zum amerikanischen Schiff "Vantage Progress":
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Dat Fotolabor-Schapp steiht ünner Water!

Der Timming spricht mich an: "Du, Keeper, ut dien Fotolabor-Schapp kümmt ehn Strull ut dat Slötellock. Möt dat so sien?" - Natürlich "möt" das nicht so sein. Was ist da nur los, Wasser aus dem Schlüsselloch? Oh, das sieht nicht gut aus.

Vielleicht sage ich meinen verehrten Lesern, was ein Fotolabor an Bord eines Schiffes ist, und wieso da so viel Wasser drinnen steht, dass es als Strahl aus dem Schlüsselloch herauskommt. Also, wo das Wasser herkommt, es läuft ja immer noch, muss erst geklärt werden. Nee, zum viel Erzählen ist jetzt keine Zeit.

"Komm, Timming, das sehen wir uns einmal an." Timming ist der Zimmermann an Bord, oft heißt der Schiffszimmermann auch "Hanning". Ist nun mal so.

Tatsächlich, das Schott des Fotolabors war absolut dicht. Verriegelt durch Vorreiber. Das Bullauge im Schott ist auch dicht. Nur eben aus dem Schlüsselloch kam ein Strahl Wasser. Wie hoch mag das Wasser im Inneren stehen? Was nun? Das Türschloss aufzuschließen wird wohl gehen, aber wenn wir die Vorreiber öffnen?. Uns wird es nicht über Bord spülen, da passen wir schon auf. Aber vielleicht bringt die Woge aus dem Labor die ganze Inneneinrichtung mit, und alles geht nach draußen.

Na ja, so überaus gefährlich war unser Vorhaben nun auch wieder nicht. Wir entriegelten die Vorreiber nur so weit, dass sich das Schott leicht aus der Gummidichtung löste, um etwas Wasser abfließen zu lassen. Das Fotolabor konnte jetzt "Entwässern". Der letzte Schwall konnte abfließen.

Ein Schott auf einem Schiff, also eines, das nach außen an Deck geht, hat eine sehr hohe Türschwelle. Es ist keine solche, wie man sie von zu Hause kennt. So ein Schott hat die Türschwelle etwa in Kniehöhe.

Ei, da schwimmt eine Entwicklerdose. Immer wenn das Schiff krängt, kommt ein neuer Schwapp. Zum Glück ist auf einem Schiff fast alles angeschraubt. Ein paar leere Flaschen plätschern noch in den Fluten. Toi, toi, das Wasser reichte lediglich hoch bis zur Tischplatte. Der Filmtrockenschrank war abgesoffen. Ob das Gebläse noch funktioniert, wird erst geprüft, wenn alles trocken ist. Das Vergrößerungsgerät und andere Laborgeräte, etwa die Fotoschere und die Trockenpresse, haben nichts abbekommen. Abgesehen von der sehr feuchten Luft im Schapp, aber die Luft ist auf See immer feucht. Etwas Fotopapier war verloren. Schade.

Das Wasser steht weiterhin knietief. Die Ursache für die Überschwemmung haben wir noch nicht gefunden. Ehrlich, wir haben noch nicht danach gesucht. Mit einem Schlauch lassen wir das Wasser nach Außenbord ablaufen. Erst jetzt war deutlich zu hören, dass in einem Schrank Wasser aus einer Rohrleitung zischt.

Ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen. Ein eingefrorenes Wasserrohr war geplatzt, und nun, da wir wieder in Richtung Süden fahren, konnte das Rohr auftauen und unbemerkt auslaufen. War ein ganz dummer Zufall.

Zuvor ging unser Törn von Japan nach Korea. Es wurde schlagartig eisig kalt. Das Schiff an sich war natürlich auf Winter eingestellt. Was nicht klappte, und aus Zeitdruck auch nicht mehr zu packen war, war die Beheizung des Achterschiffes. Na klar müsste jetzt, da die Heizung nicht geht, das Wasser für das Fotolabor abgestellt werden. Aber glaubt es mir, diese unmögliche, unerwartete Kälte brachte noch zig andere Probleme gleichzeitig. Da hat eben das Fotolabor was abbekommen,  ihr habt es ja gelesen.

"Water ut dat Slötellock möt nich sien." Auf der WERNER SEELENBINDER 1968.

Lokation des Fotolabors auf einem Typ X-Schiff:
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Die Typ-X-Schiffe hatten achtern ein Deckshäuschen. Auf der SEELENBINDER war es ein richtiges Winschenhaus mit zwei Wippkränen drauf. Die Grafik, ein Ausschnitt von der SCHNELLER aus dem "Jahrbuch der Schiffahrt 1965", zeigt es. Siehe auf diesem Bild den Bezeichner 39 - links daneben ist das Fotolabor. Weitere Räume waren Wäscherei, Wäschelast, Stores (Putzlappen usw.) und Räume für den E-Mix.
Eine wichtige Arbeit aus eben diesem Fotolabor:
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Das Foto zeigt einen abgestürzten Kran der SEELENBINDER. Rolf machte die Beweisfotos für die Schiffsführung. So geschehen 1968 in Wakamatsu/Japan. Im Hintergrund ist die Wakato-Bridge auszumachen. Siehe bei uns auch Quer durch Wakamatsu.
Schiffe/Frachter, groß/Typ-X/

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Seemann

Man sagt (oder denkt) wehmütig, als wäre es schon hundert Jahre her:

„Ich war ein Seemann.“

Eine kleine Begebenheit am Rande der Hanse Sail in Rostock.

Ein Großsegler legt an. Im Stadthafen Rostock. Der vorgesehene Liegeplatz war ausreichend groß. Aber ohne Schlepperhilfe ... Es wurde knapp.

Ich denke nun: „Eeh, mehr, mehr Voraus! Nun mach schon! Ohhh, das wird eng.“

Und schon fliegt die Vorleine in Richtung Pier.

Zwanzig und mehr Leute an Land gucken zu und warten. Vielleicht denken sie, hier läuft gerade ein Theaterstück, oder so.

Ich lass' mein Fahrrad fallen, fange die Leine und belege einen Poller damit. Das Gewicht der Leine hätte mich fast über die Kante gezogen.

Ich bin immer noch ein Seemann.             Bitte gebt mir recht!

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Herzlichen Dank an Rolf Beckert für all seine Stories und vielen Fotos bei uns!

Fotos und Worte: Rolf Beckert, Chemnitz
Gemeinsame Nachbearbeitung: ABa, Hamburg
Übrigens: Viele weitere Fotos von Rolf sind auf unseren Seiten zu finden!

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"Ich war mal Seemann": Seeleute Rostock e.V., Februar 2020

   

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  24.05.2022  
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Tradi?
"Tradi" - Fakten
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