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MS RONNEBURG im Clinch mit der Kultur

Gereimt, geschüttelt und nicht gerührt auf
dessen Fernostreise von April bis September 1971

(MS "Ronneburg", vgl. Typ-XD)

Es war einmal ein schönes Schiff,

auf dem wurde die Kulturarbeit
wie bei Nebukadnezar in grauer Vorzeit
flammend an die Bordwand geschrieben.
Doch wie in Babylon ist davon nichts geblieben.
Die Flammenzeichen verlöschten gar bald
und dabei war das Schiff erst drei Jahre alt. 
 
Ein wenig Kultur gab es schon an Bord.
An erster Stelle stand natürlich der Sport.
Vor allem der Fußball kam nicht zu short.
Denn als unser Schiff so fuhr gegen Nord,
da kam es an einen lauschigen Ort
und wollte gar nicht so schnell wieder fort.
Chungjin hieß dieser erquickliche Port.
Es trafen sich gar viele Schiffe dort
und spielten Fußball in einem fort.
Doch nun Genossen, auf ein Wort:
Fußball ist und bleibt halber Mord!
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Die RONNEBURG in Madras
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Blick auf den Hafen von Chungjin
Denn wie schlichen unsre Genossen von dannen?
Da sah man alles: Verbeulte Wannen,
wenn ich nur an unsere Assis denke.
Mitgenommen wurden auch sehr die Gelenke.
Der Chefkoch lief vierzehn Tage wie auf Eis,
er steckte raus seinen prächtigen Steiß,
nasse Handtücher hatte er an den Füßen.
So musste der arme Kerl seinen Einsatz büßen.

Der Chief Mate machte sich auch immer lang,
und ruckzuck waren die Kniescheiben blank.
Er sagte, es wäre gut für die Kondischen,
doch die guten Vorsätze, die tat er wegwischen
am Abendbrottisch. Da ließ er sich gehen.
Doch letzten Endes, man kann ihn verstehen,
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Die Fußballmannschaft der RONNEBURG
denn die zarte, junge Haut auf den Knien
braucht zum Wachsen ordentlich viel Kalorien.

Unser E.-Ing, der alte Profi,
bekam auch einen Gang wie Walt Disney's Goofi.
Seine Fußsohlen waren eine einzige Blas'.
Ich frage mich, macht Sport da noch Spaß?
Doch eher auf dem Spielfeld verrecken,
als eine Niederlage einstecken.
Nun, es gab auch ein paar trübe Tassen.
Doch eines muss der Neid ihnen lassen,
sie haben alle ihr Bestes getan.
Die deutsche Elf stand wie ein Mann!
 
Auch die Zuschauer ließen Begeisterung nicht missen,
taten laut die Fahne des Nationalismus hissen.
Den Ausländern wurde Deutschsprechen gelehrt,
die Aussprache von "Sch..." laut demonstriert.
Wir haben uns dadurch sehr verdient gemacht
und deutsches Kulturgut in fremde Lande gebracht.

Im Seemannsclub, da saß man fröhlich beisammen,
die Koreaner schlugen was überm Kopf zusammen.
Voll Wehmut sahen sie ihr vermottetes Anwesen,
in dem sonst nicht mal ein Floh wagt zu niesen.
In Strömen floss Wodka und güldener Wein
und das Siegel vom Weinblatt, das floss zwischendrein.
So fiel uns trotz allem der Abschied recht schwer,
denn solche Kulturarbeit gibt's so bald nimmermehr.

Nun bleiben wir weiter auf der Spur
der innerschifflichen Kultur.
Tief unten im Schiff, da gibt's eine Ecke,
dort lagert Kultur bis hoch an die Decke.
Unser Chefsteward, der ist zu bedauern,
sein ganzes Kulturbier muss langsam versauern.
Dafür ist sein Umsatz aber ganz enorm
von Kultur in konzentrierterer Form.
Albträume ihn in seiner Koje umschleichen:
Wird denn der Webs bis nach Hause noch reichen?
Als gutes Beispiel, rote Nasen voran,
führt die FDJ mit Abstand das Trinkerfeld an.
Wo vor Lärm die Kammertür zu zerbersten droht,
kämpft sie um gute Taten im Konsumtionsaufgebot.

Denn Bordfeste wurden gefeiert die Menge.
Vor der Bar gab's ordentliches Gedränge
Der K(au)- und S(auf)-Fonds war bald erschöpft,
die Rücklaufgelder wurden kräftig geschröpft.
Getränke gingen nun auf die eigenen Taschen.
Die Lehrlinge taten die Monatsheuer vernaschen.
Am Ende der Feiern sah man die Schnapsleichen
mehr liegend als stehend durch die Gänge schleichen.
 
Auch die Reservisten in ihrem Verein
hauten in die kulturelle Kerbe mit rein.
Als geballte Ladung deutscher Manneskraft
haben sie sich ordentlich geschafft.
Diese oder jene Einzelverpflichtung
lag vielleicht nicht ganz in der Richtung
des Wettbewerbs, der offiziell.
Erfolg zeigt hier sich nicht so schnell.
Doch denket, in neun Monaten nur
gibt's dann kleine Kämpfer für die Kultur.

Ein wichtiger Faktor im kulturellen Getriebe
war auf dem Schiff die platonische Liebe.
Unsere Liesel, die Jungfrau von Orleans,
betörte auf dieser Reise so manchen Mann.
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Eine Party auf dem Achterschiff
Doch die armen Betörten mussten sich begnügen,
Weiter allein in ihren Kojen zu liegen.
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Eine Bordfest-Szene - der Wissenstest zum sozialistischen Wettbewerb :-)
Doch die platonische Liebe bringt neue Kraft.
Die körperliche sie hingegen von dannen rafft.
Drum gingen die Genossen mit großem Elan
an die Bewältigung kultureller Aufgaben ran.
Unser II. Offizier, ein stolzer Mann,
nahm sich des Englischzirkels an.
Damit es mit dem Chinchen im Ausland klappt
Wurden hier die Grundlagen beigebracht.
Wer Englisch spricht, das ist apart,
an jeder Mark 'nen Groschen spart.

Wer hier an Bord was auf sich hält,
der investiert sein bisschen Geld
in elektronischen Apparaturen
mit zwei und drei und noch mehr Spuren.
Kultur im Heim wird großgeschrieben,
in S'pore ist das Geld geblieben.
Der Kapitän, ganz raffiniert,
als Avantgardist voran marschiert.
Kultur im Heim? Schon längst passé!
Ins Auto muss sie rein, juchhee!
Der "Wartburg" zu Hause und er hier steht,
es fehlt an der Spannung für sein Gerät.
Fünf Zentner Batterien sollen Abhilfe schaffen,
seitdem kann in diesem Deck niemand schlafen.
Der Chief Mate in seiner Wache denkt:
"Jetzt hat sich der Alte in die Luft gesprengt."
Denn dicke Kabel laufen hin und her
und obendrein noch kreuz und quer
durch sämtliche Kapteinsgemäuer,
's ist einem dort nicht geheuer.
Wenn sich da wirklich was verklemmt,
es zieht uns aus bis auf das Hemd!
 
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Ansteuerung von Singapore
Aber dann kommt mal ein Tag auf der Reise,
da werden die Leitungen wieder aktiv.
Dann beraten sie klug und weise
und diskutieren sehr intensiv.
Über was? Du weißt es nicht?
Das Herze dir im Brustkorb bricht.
Die Kulturpunkte werden ausgehandelt!
Damit niemand in unerreichbaren Höhen wandelt,
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 Sonnenuntergang in der Ferne
geht man um bei der Verteilung recht sparsam.
Nur die Leitungen, die sind wachsam:
Fünf Punkte, das ist unsere Pflicht,
unter dem, da leiten wir nicht!

Drum Freunde, auf der nächsten Reise,
vielleicht winken wieder wertvolle Preise,
stürzt euch rein in das Kulturgewimmel,
seid fröhlich im siebten Hafenbräuhimmel.
Es werden wieder große Programme gemacht
und das Kulturleben richtig in Schwung gebracht.

Unser Chefsteward wird Referate lesen:
"Meine Stewardessen, die störrischen Wesen".
Der Kabelede gibt einen Korea-Erfahrungsbericht:
"Schlagen darfste mich, Genosse, aber schießen bitte nicht!"
Der Chief Mate wird lesen zwei heilige Messen
unter dem Bibelworte: "Fressen, fressen"
Und der Bootsmann, der Oldie, weissaget uns bald
"Wie wird man bei diesem Haufen sooo alt."

Und am Reiseende gibt es an diesem Ort
in Sachen Kultur wieder einen Report.
Doch für diese Reise und vor allem für jetzt
bleibt nur noch das Zitat vom Götz.
 
  
Friedrich Seibicke, 1971

  

Herzlichen Dank an Friedrich für sein exklusives Poem und die Fotos!


"MS RONNEBURG im Clinch mit der Kultur": Seeleute Rostock e.V., 2009

   

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  04.01.2015  
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