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Harald Mertin, Rövershagen

Das GLEICHBERG-Grounding

Erschienen unter "Eine Seereise mit Hindernissen" in "Bordgeschichten I",
 DSR-Seeleute e.V., Freiberg, 2001, www.seeleute.de fremdlink.gif.


slr-sc31-01-suhl1982-hme.jpgDie "Suhl", ein Semicontainerschiff der Deutschen Seerederei Rostock, lag vom 10. - 21. Juli 1982 in Rostock und wurde mit LKW vom Typ "W-50" für den Hafen Akaba/Jordanien beladen.
Der Golfkrieg zwischen Iran und Irak war voll entbrannt. Man stritt sich um die Ölquellen im Shatt el Arab, die von beiden Staaten für sich beansprucht wurden. Diese Auseinandersetzung führte zur völligen Blockade des irakischen Hafens Basra. Die Ladungsströme für Irak gingen deshalb über Kuwait oder auf dem Landwege über den jordanischen Hafen Akaba am gleichnamigen Golf gelegen.

Die DDR fühlte sich mit der irakischen Führung verbunden und unterstützte sie nach ihren Möglichkeiten. So wurden eine große Anzahl LKW "W-50" mit dem typischen beigen Wüstenanstrich nach dem Irak geliefert, die dann wahrscheinlich auf den Schlachtfeldern ein kurzes Dasein frönten. Zeitweilig war der ganze Rostocker Überseehafen mit diesen Fahrzeugen überfüllt. Da die Deutsche Seereederei nicht über genug geeignete Tonnage für den Fahrzeugtransport verfügte, wurden auch konventionelle Schiffe für den LKW-Transport eingesetzt. Für die "Suhl" war es bereits die zweite Reise nach Akaba in diesem Jahr. Das Laden und Laschen von 230 LKW waren sehr zeitaufwändig, weil dieser Schiffstyp für den Fahrzeugtransport völlig ungeeignet war. Zur Einhaltung des geplanten Auslauftermins war es sogar notwendig geworden, dass die Besatzung die Rostocker Hafenarbeiter bei den Lascharbeiten unterstützten.

Am 21. Juli 1982 wurde 20 Uhr die Mole von Warnemünde passiert und Kurs auf den Suezkanal genommen. Es wurde eine reine Schönwetterreise.

Für mich war es seit meinem Studium in Warnemünde die dritte Reise auf der "Suhl". Auf diesem Schiff habe ich mir meine ersten Lorbeeren als 3. Technischer Offizier verdient. Heute kann ich sagen, dass die Jahre bis 1985 auf der "Suhl" die schönsten meiner ganzen Seefahrtszeit waren.

slr-sc31-02-suhl1982-hme.jpgAm 30. Juli erreichten wir die Reede von Port Said. Die Behörden holten sich beim Kapitän auch gleich die üblichen Geschenke ab und teilten uns dann unsere Nummer für den Konvoi am nächsten Tag mit.
Die Kanalpassage begann am frühen Morgen. Der Konvoi sah aus wie eine riesige Perlenkette. Der erste Teil der Reise durch den Kanal endete mittags im Großen Bittersee. Hier wurde geankert und auf den Gegenkonvoi aus dem Roten Meer gewartet. Am Nachmittag ging es weiter und zum Abendbrot wurde Suez, die Stadt am Roten Meer, erreicht. Durch den Golf von Suez und Akaba ging es zum Zielhafen. Am 01. August nachmittags wurde dieser erreicht. Da alle Liegeplätze belegt waren, wurde das Schiff auf slr-sc31-03-suhl1982-hme.jpgReede belassen.
Akaba ist der einzige Hafen Jordaniens. Die Küstenlänge beträgt nur etwa 5 Kilometer.
Nach 10 Tagen auf Reede wurde das Schiff in den Hafen verholt, und das Löschen der Fahrzeuge ging zügig voran. Bereits zwei Tage später sind wir aus Akaba ausgelaufen. Kurze Zeit später erhielt der Funker einen Notruf von der DSR in Rostock.

Das MS "Gleichberg", erstes in Wismar gebautes Ro-Ro-Schiff auf der Jungfernfahrt, soll auf dem slr-sc31-04-sinai-gmaps.jpgGordonriff festsitzen. Das gehört zu einer Kette von vier Riffen in der Straße von Tiran.
Mittags wurde der Havarieort erreicht. Es bot sich uns ein imposanter Blick. Die "Gleichberg" saß hoch herausragend, weithin sichtbar, auch mit LKWs beladen auf dem Riff fest. Sie befand sich dabei in guter Gesellschaft, denn zwei andere Schiffe, von ihren Besatzungen schon aufgegeben, lagen ebenfalls dort fest. Die Sonne stand hoch über uns. Die Tiranstraße, zwischen der Halbinsel Sinai und dem besagten Riff, war an der dunkelblauen Wasserfarbe gut zu erkennen. An beiden Seiten wurde dieser vielleicht 100 Meter breite Seeweg durch Korallenbänke weiß sichtbar begrenzt.
Böse Zungen behaupteten sofort, dieser Seeunfall sei die Strafe dafür, dass in Berlin vor 21 Jahren die Autobahn zum Trocknen aufgestellt wurde. Es war ja auch der 13. August 1982.

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In der Zwischenzeit hat das Krisenzentrum in Rostock weitere DSR-Schiffe an die Unglücksstelle beordert. Mit den MS" Crimmitschau" und "Glauchau" sollten zwei baugleiche Schiffe die Bergungsaktion unterstützen.
Die vier Kapitäne der beteiligten Schiffe einigten sich darauf, dass zuerst die "Crimmitschau" versuchen sollte, den Havaristen vom Riff zu ziehen. Eine Schleppverbindung wurde hergestellt. Beim Schleppversuch wurde schnell klar, dass eine kurzfristige Bergung der "Gleichberg" nicht möglich sein wird. Das Schiff bewegte sich keinen Millimeter. Problematisch war vor allem die starke Strömung durch die Tiranstraße. Der Schleppwinkel wurde stumpfer und damit die Zugkraft geringer.

In der Nacht bot der Havarist hoch herausragend und voll beleuchtet einen tollen Anblick. Sofort sprach man vom teuersten Feuerschiff der Welt. Wenige Meter davon entfernt konnten wir das Blitzfeuer auf einem Gittermast erkennen, auf das die "Gleichberg" mit voller Kraft zugefahren sein musste.

Den zweiten Versuch sollte dann am nächsten Tag unsere "Suhl" aufgrund der höheren Maschinenleistung durchführen. Dazu wurde der Seeschlepper, ein tonnenschwerer Schleppdraht, aus dem Kabelgatt gewuchtet. Die Masse des Schleppdrahtes war so groß, dass dazu das bordeigene Ladegeschirr zu Hilfe genommen werden musste. Unter großer Mühe wurde mit Hilfe der Rettungsboote nach mehrstündigem Einsatz eine Schleppverbindung hergestellt. Bei diesem Einsatz konnten wir vom Rettungsboot aus sehen, dass die "Gleichberg" sich mit ihrem Schiffskörper ca. 1/3 der Gesamtlänge auf das Riff geschoben hatte.

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Der Draht wurde auf der "Suhl" um das achtere Deckshaus gelegt, weil die Schiffsführung den Pollern diese gewaltige Last wohl nicht zutraute. Der Kapitän unseres Schiffes ließ den Hauptmotor von der Brücke an. Ganz langsam kam Fahrt in das Schiff. Der durchhängende Schleppdraht strafte sich, kam steif und dann ging alles ganz schnell.

slr-sc31-08-suhl1982-hme.jpgEs gab ein pfeifendes Geräusch und dann einen Knall. Die Kardeele der Trosse wickelten sich auseinander und die beiden Enden des Drahtes fielen ins Wasser. Der Versuch war gescheitert. Die Enden wurden auf beiden Schiffen mit Schweißbrennern gekappt und rauschten in das Rote Meer.

Am Nachmittag wurde dann auf unserem Schiff Kriegsrat abgehalten. Man einigte sich auf folgende Vorgehensweise. Die baugleichen Schiffe "Crimmitschau" und "Glauchau" gehen ins Päckchen, bringen jeweils eine Ankerkette aus und verbinden diese mit dem Havaristen. Unserem Schiff wurde nur die Aufgabe zugeteilt, diese beiden Schiffe auf Kurs zu halten, damit sie nicht durch die Strömung in die Fahrrinne abgedrängt wurden.

Die Bergungsaktion fand am darauffolgenden Tag statt. Es war eine Knochenarbeit, die Schleppverbindung mit Ankerketten zwischen der "Gleichberg" und dem Schleppverband herzustellen. Die Besatzungen der beteiligten Schiffe, besonders die Bootsleute haben dabei Großes geleistet. Auf der einen Seite sollte die tonnenschwere Verbindung so kurz wie möglich sein, auf der anderen Seite mussten die Schiffe dabei aber sehr dicht an die Riffkante heran. Die Gefahr, dass Schiffsschraube und Ruderblatt beschädigt werden konnten, war riesig.


Die Verbindung war noch gar nicht richtig hergestellt, da ließ ein Kapitän die Maschine seines Schiffes an. Wahrscheinlich hatte er sich dem Gordonriff zu stark genähert. Es kam Spannung in die Kettenverbindung. Es gab einen Knall und eine Rostwolke verteilte sich langsam. Durch diese Aktion war der Kapitän des anderen Schiffes gezwungen, ebenfalls zu reagieren. Seine Kettenverbindung ereilte dasselbe Schicksal. Die "Suhl" ist dabei gar nicht zum Eingreifen gekommen. Dieser Versuch war ebenfalls gescheitert.

Durch den Funkverkehr und die Aktivitäten auf dem Gordonriff war ein holländischer Hochseebergungsschlepper aufmerksam geworden. Den letzten eigenen Bergungsversuch unserer Reedereischiffe hatte er dabei aus sicherer Entfernung aufmerksam beobachtet.
Nach Absprache mit dem Krisenzentrum in Rostock wurde mit diesem Schlepper ein Bergungsvertrag unterzeichnet. Den ersten Schleppversuch konnten wir noch verfolgen, bevor uns die DSR Richtung Suez abrief.

Den Kanalkonvoi am Morgen des 17. August mussten wir unbedingt erreichen. Um die drei Tage Verlust wieder einzuholen, wurde unser Schiff direkt nach Hamburg geordert, um bereits Ladung für die nächste Golfreise zu übernehmen. In Hamburg kam dann mit der Post und Zeitungen auch die aktuellste Ausgabe des Reederei-Bummi (Voll Voraus) an Bord. Auf der Titelseite wurde in großen Lettern von der Indienststellung des ersten in der DDR gebauten Ro-Ro-Schiffes berichtet und die Leistungen der Schiffbauer und Seeleute in den höchsten Tönen gepriesen.

Am 28.08.1982 um 14 Uhr wurden die Leinen im Heimathafen Rostock festgemacht. Es wurde nur eine ganz kurze Liegezeit. Zu wenig Zeit für die Familie, für Freunde, oder um irgendwelche Probleme zu Hause zu lösen. Bereits am 31.08.1982 begann eine neue Reise über London und Antwerpen in den Persischen Golf und nach Indien.

Das weitere Schicksal der "Gleichberg" kenne ich nur aus der Presse bzw. durch den Buschfunk. Die Versuche des holländischen Schleppers scheiterten ebenso wie unsere eigenen. Selbst ein zweiter Schlepper derselben Reederei, der in Suez stationiert war, konnte nichts bewirken. Die "Gleichberg" ist mit voller Geschwindigkeit auf das Riff gerutscht und hatte sich regelrecht in die Korallen gebohrt.
Eine Singapore-Bergungsreederei soll danach den Zuschlag bekommen haben. Dabei soll ein Teil des Gordonriffs unter dem Schiff weg gesprengt worden sein. Die "Gleichberg" ist dann mit eigener Kraft nach Akaba zum Löschen der LKWs gefahren und anschließend in eine jugoslawische Werft zur Reparatur. Es ist aus meiner Sicht eine schiffbautechnische Meisterleistung der MTW-Werft Wismar gewesen, daß bei diesem Crash nur ein Ballastwassertank im Doppelbodenbereich beschädigt wurde und anschließend das Schiff weiter schwimm- und manövrierfähig war.

Für die Schiffe der DSR gab es in Auswertung dieses Seeunfalls eine Weisung, dass die Passage der Tiranstraße nur noch bei Tageslicht erfolgen durfte. Das bedeutete für Schiffe bei der Fahrt in den Golf von Akaba, dass sie nach Beendigung der Suezkanalpassage, die grundsätzlich in den Abendstunden endete, irgendwo ankern oder treiben mussten, um die Zeit bis zur Morgendämmerung zu überbrücken.

Zwei Jahre später erhielt ich mit der Post ein Schreiben der Chefinspektion, über das ich mich sehr gefreut habe. Man bedankte sich für den Einsatz am Gordonriff und teilte mir meinen finanziellen Anteil an der Dispache mit. Siehe unten.

slr-sc31-09-loullia1999-rha.jpgNach Beendigung meiner aktiven DSR-Fahrenszeit habe ich später in einem Reiseführer gelesen, dass zwischen 1973 und 1986 insgesamt 28 Schiffe auf das Riff aufgelaufen sein sollen, von welchen 21 wieder frei kamen.
Die "Gleichberg" gehörte dazu und lief von 1999 bis zu ihrem Verkauf Ende 2000 unter dem Namen "Prerow" für die Laeisz-Reederei.


Geschrieben im Jahre 2000 nach Tagebuchaufzeichnungen von Harald Mertin, damals 3. Technischer Offizier

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Herzlichen Dank an Harald für seine Schilderung der außergewöhnlichen Seereise!

Fotos: Harald Mertin, Roswitha Hartmann
Grafiken: Google Maps & Earth (by ABa)


Anmerkungen: MS "Suhl", IMO 7721639, siehe Schiffstyp MERIDIAN-II;
MS "Crimmitschau", IMO 7932719, und MS "Glauchau", IMO 8031079, siehe Schiffstyp NEPTUN-421;
MS "Gleichberg", IMO 8200278, siehe Schiffstyp RO-15, trotz der Havarie noch in Fahrt (09/2019) als ILE DE RE (Kabellege- und -wartungsschiff für Alcatel);
weitere an der Bergung beteiligte Seefahrzeuge sind nicht bekannt.
DAS Wrack: Zur ex "Loullia" ex "Zschopau" ex "Antonina", IMO 5020160, siehe unsere Schiffsliste Ankaufschiffe#31Zschopau; auf Fotos aus 2019 hat sich der Rest des Mittschiffs schon so sehr zur Seite geneigt, dass die Bb.-Nock der Brücke bereits im Wasser liegt.

"Das GLEICHBERG-Grounding": Seeleute Rostock e.V., September 2019

   

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  02.10.2019  
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