|
www.seeleute-rostock.de/content/sailorscab/stories/10/albatros.htm |
| SlR.sc10 [14.F4] |
 |
Norbert Schmidt, Písek
Eine Reise mit Hindernissen auf MS ALBATROS
Unser Internet-Kurztitel: Unbeholfener
ALBATROS
Erschien ebenfalls in unser aller
"Bordgeschichten",
DSR-Seeleute e.V., Freiberg, www.seeleute.de .
 |
Die ALBATROS (vgl.
Vogel-Framo)
war ein Frachtmotorschiff mit einer Ladefähigkeit von 2.700 Tonnen. Sie
wurde am 06.06.1961 von der Rostocker Neptun-Werft an die DSR
ausgeliefert. Die Reederei setzte die acht Schiffe dieses Typs
"Framo Albatros" überwiegend im Levante-Dienst ein, wobei je
nach Ladungsangebot auch oft verschiedene westeuropäische Häfen
bedient wurden. Im Mittelmeer konnten auf Grund der Schiffsgröße und
der vorhandenen Ladegeschirre auch kleinere Häfen wie z.B. Kalamata
problemlos angelaufen werden. Verkauft wurde die ALBATROS am 25.06.1981
an eine Reederei in Limassol auf Zypern. Von 1981 bis 1994 fuhr das
Schiff unter zypriotischer Flagge. Es trug die Namen SAMOS STAR und
STAR. Ab 1994 gehörte das Schiff einer Reederei in San Lorenzo
(Honduras), die es in SHELBY STAR umbenannte. Am 06.12.1994 sank
die ehemalige ALBATROS vor der Küste Panamas 35 Seemeilen nördlich des
Kaps von Portobelo mit einer Ladung Gips bei schwerem Wetter. Zwei
Seeleute kamen um.
Ich stieg am 09.02.1976 als Erster Offizier auf dieses Schiff auf. Es
war vorgesehen, mit dem MS ALBATROS unter strengster Geheimhaltung eine
Ladung militärischer Güter, darunter zwei Spezialpanzerfahrzeuge, nach
Angola zu bringen. Deshalb waren alle nautischen Offiziere sowie einige
Techniker von der Reederei ausgetauscht worden. Zusätzlich kamen ein
Funkoffizier, der aber noch vor dem Auslaufen aus Rostock wieder
abgezogen wurde, und ein nautischer Assistenzoffizier an Bord. Glücklicherweise
stellte sich in der Vorbereitungsphase dieser Reise heraus, dass der
Trinkwasseraufbereiter des Schiffes nicht einsatzklar war und in den nächsten
Tagen nicht wieder repariert werden konnte. Aus diesem Grunde war der
angedachte "Friedenstauben"-Transport von der ALBATROS nicht
durchführbar, und so traten wir besatzungsmäßig mit zu hohen
Qualifikationen und Patenten besetzt eine ganz normale Mittelmeer-Reise
an. Unsere Reiseroute sollte nun Rostock - NOK - Goole - Middlesbrough -
La Spezia werden, und die Rückreise war in den Nord- und Ostseeraum
vorgesehen.
Schon im NOK blieben wir zwei Tage vor der Schleuse von Brunsbüttel
wegen schlechten Wetters liegen, liefen danach weiter und mussten dann
doch noch auf Helgoland an der ehemaligen Wehrmachtspier festmachen.
Trotz der Unterstützung des Rettungsschiffes ARVED EMMINGHAUS kam
es beim Anlegen zu Einbeulungen und Beschädigungen an unserer Außenhaut.
Das bedeutete viel Arbeit für mich, da Besichtigungen von diplomierten
Patentträgern ausgeführt werden mussten. Es gibt auf Helgoland nur den
Leiter der Polizeistation, der behördliche Aufgaben wahrnehmen darf,
aber Schadensbesichtigungen gehören nicht zu seinen
Dienstobliegenheiten. Das schafften der Leitende Ingenieur und ich dann
noch rechtzeitig und unser Schiff erhielt die gewünschte
Auslaufgenehmigung. |

Der Hafen von Helgoland am zweiten Februarsonntag im Jahre 1976. Die
ALBATROS liegt noch an der Pier. |
In den frühen Nachmittagsstunden des
zweiten Sonntags im Februar 1976 legte die ALBATROS wieder mit Hilfe des
Rettungsschiffes ARVED EMMINGHAUS von der Pier auf Helgoland ab.
Allerdings erlitt die ALBATROS beim Drehen in die Auslaufrichtung eine
Kollision mit der Ecke der Wehrmachtspier, und auf der achteren
Backbordseite wurde ein Loch im Bereich der letzten Mannschaftskammer,
dem sogenannten "Eisenbahnerabteil", festgestellt. Diese
Kammer war nicht belegt, und so waren keine Personenschäden
eingetreten. Aber nun begann erneut der Papierkrieg, und die Telefone
liefen wieder heiß. Da der aus Stralsund stammende Kapitän mir die
Verhandlungen mit der DSR und den anderen Vertragspartnern überließ,
erreichte ich in seinem Auftrage, dass das Schiff seine Reise in den nächsten
Bestimmungshafen fortsetzen konnte und die Reederei-Anweisung zum
Anlaufen von Folkestone zurückgezogen wurde. |

Die heimlaufende ARVED EMMINGHAUS |

MS ALBATROS trockenliegend im englischen Goole |
Im Becken der ortsansässigen Werft in
Goole entfernten die Werftarbeiter unsere provisorische Abdichtung des
Lecks, verschlossen es fachgerecht, und das Schiff erhielt einen
Teilanstrich. Gleichzeitig löschten wir die elf rumänischen
Kleinlastwagen vom Typ ROMAN. Die Stückgutpartien aus dem Rostocker
Hafen wurden danach an einem anderen Platz des Hafens an Land gebracht.
Als das Schiff leer war, versegelten wir nach Middlesbrough, wo eine
volle Ladung Moniereisen für La Spezia in Italien übernommen wurde. |

MS ALBATROS passiert auslaufend die Dockschleuse in Middlesbrough und
geht auf Reise nach La Spezia. |

Am Goniometer-Peiler 1) im Kartenraum der ALBATROS |

Eintrag ins Schiffstagebuch in der EO-Kammer |
Im italienischen La Spezia löschten wir
das Moniereisen auf bereitgestellte Lastkraftwagen und erfuhren während
des Löschens, dass wir als Rückladung wieder Moniereisen
transportieren werden und diese Ladung in Bremen löschen sollen. Das
Entladen des Schiffes dauerte einige Tage, und in dieser Zeit erkrankte
unsere Alleinstewardess. Sie wurde an Bord von einem italienischen Arzt
behandelt und von ihm kurz vor dem Auslaufen wieder gesundgeschrieben.
Außerdem entrümpelten wir während dieser Hafenliegezeit alle Lasten
des Schiffes, verkauften allen Schrott sowie alle unnützen Dinge. Für
den Erlös aus dieser Aktion kaufte der Kapitän weiße Schiffsfarbe der
Firma Hempels und ließ damit die Aufbauten der ALBATROS noch während
der Hafenliegezeit in La Spezia und danach während der Heimreise
streichen. |

MS ALBATROS im Hafen von La Spezia am 19.03.1976 (Feiertag in Italien) |
Das sollte ihm später einen "mündlichen
Rüffel" vom zuständigen Inspektor einbringen, da die blendend weißen
Aufbauten im Rostocker Überseehafen auffielen. Zu unserer Verblüffung
stellten wir bei der Beladung fest, dass wir unsere eigene Ladung, die
wir nach La Spezia gebracht hatten, wieder in unser Schiff geladen
bekamen. So liefen wir am Mittag des 21.03.1976 mit der gleichen Ladung
wie auf der Hinreise aus und begaben uns auf die Rückreise nach Bremen.
Weit kamen wir nicht.
Nachts fiel unsere Alleinstewardess Fräulein B. um, und der hinzu
gerufene 2. Offizier sowie der Kapitän konnten kein klares
Krankheitsbild diagnostizieren. Auf Grund der vorherigen Krankheit
entschloss sich der Kapitän zur Rückkehr nach La Spezia, um die
Stewardess in ärztliche Behandlung zu übergeben. Also liefen wir mit
voller Kraft erneut auf La Spezia zu. Alle unsere Anrufe auf UKW
beantworteten La-Spezia-Radio oder die dortige Marinefunkstelle nicht.
Es blieb uns also nichts anderes übrig, als eigenständig in die Bucht
dieser Hafenstadt einzulaufen, die entsprechenden Flaggensignale zu
setzen und weiterhin auf UKW ständig Anrufe auszusenden. Erst als wir
einlaufend die Insel del Tino umrundeten, beantwortete Port-Control La
Spezia unseren Anruf und erlaubte sofort das Weiterlaufen in die Bucht
hinein. In der inneren Bucht, kurz vor den Handelshafen-Liegeplätzen,
stoppten wir das Schiff auf, übernahmen nach ein paar Minuten einen
herbeigeeilten Lotsen und fanden uns kurz nach 08.00 Uhr an einer der
Piere im Hafen La Spezia wieder.
Schneller als der bestellte Krankenwagen und die Behörden war ein
Reporter der Tageszeitung der Hafenstadt vor dem Schiff, fotografierte
sofort alle Aktionen und noch am gleichen Tage konnten wir unser Schiff,
unseren zweiten Offizier und unsere Stewardess beim Abtransport mit dem
Krankenauto in dem Blatt bewundern. Es begannen dann die üblichen behördlichen
Befragungen sowie Konsultationen mit der DDR-Botschaft in Rom, den
Maklern und dem Arzt des katholischen Krankenhauses, dem unsere
Stewardess zur Behandlung zugeführt worden war. Mir fiel dann noch die
Aufgabe zu, unserem Fräulein B. ein paar persönliche Dinge zu überbringen
und den schriftlichen vorläufigen Befund des Arztes im Krankenhaus
abzuholen, damit der angefallene notwendige Schriftverkehr weiter geführt
werden konnte. Leider musste ich unsere Stewardess enttäuschen, weil
ich ihr klarzumachen hatte, dass sie im Krankenhaus bleiben musste. Sie
hatte sich bei meinem Erscheinen gedacht, sie würde mit mir zurück an
Bord fahren können und weinte, als sie erfuhr, sie müsse in La Spezia
bleiben.
In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages kam der Konsul der
DDR-Botschaft an Bord, musterte die Stewardess ab, bestätigte die
Eintragungen im Schiffstagebuch und stellte einige Papiere für das
Schiff und die Behörden aus. Danach fuhr er mit dem Kapitän und mir zu
unserem Makler, wo weitere offizielle Persönlichkeiten uns schon
erwarteten. Dort wurden Dokumente ausgetauscht und festgelegt, dass die
"ALBATROS" einen erneuten ärztlichen Befund abzuwarten hatte,
der in den späten Nachmittagsstunden erstellt werden sollte. In diesem
Befund waren eigentlich keine neuen Erkenntnisse zu erwarten und es
wurde deshalb festgelegt, dass das Schiff noch am Abend La Spezia
verlassen wird.
Damals konnte keiner wissen, dass unsere Stewardess nach einer längeren
Phase mit Diät-Kost-Ernährung während der Hafenliegezeit sich nach
dem Verlassen von La Spezia spätabends eine große Portion Spaghetti
gegönnt hatte und möglicherweise eine Kelle zu viel dieser Teigwaren
auf ihrem Teller war. Das führte wohl zu dem Kollaps, in dessen Folge
sie sich im katholischen Krankenhaus von La Spezia wiederfand.
Wir liefen dann wie geplant am Abend des 23.03.1976 von La Spezia ab.
Die Reise nach Bremen verlief ohne irgendwelche Komplikationen, und dort
löschten wir einen Teil der Moniereisen. Wir waren aber nur kurze Zeit
in Bremen, die genesene Stewardess kam wieder an Bord und nahm ihren
gewohnten Dienst auf. Der nächste Hafen, den wir wegen der Restlöschung
des an Bord verbliebenen Teils unserer Ladung anliefen, war Kiel. Auch
dort brauchten die Hafenarbeiter nur einen Arbeitstag, um das Schiff
vollständig zu entleeren. In Ballast versegelte dann das Schiff auf
Order der DSR nach Rostock. Am 10. April 1976, fast genau nach zwei
Monaten Fahrenszeit, verließ ich das Motorschiff ALBATROS und musste
noch am gleichen Tage die drei DSR-Schiffe übernehmen, die damals dem
Rostocker Überseehafen als Getreidelager dienten.
|

MS ALBATROS im Rostocker Überseehafen |

MS ALBATROS im Wismarer Hafen |
1) Goniometer-Peiler: Beschreibung unter Schiffe/Schiffstechnik
& Seemannschaft unter "6. Deck & Nautik". |
Herzlichen Dank an Norbert
Schmidt für seine Erzählung und die Bilder dazu!
Fotos, Abbildungen: Sammlung Kpt.
Norbert Schmidt, Písek
"Unbeholfener ALBATROS": Seeleute Rostock
e.V., Juli 2010
 |
|
05.01.2015 |
|
 |
|
|