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../maxi/513/slr-st-513-abc-la15058b-sflro.jpg../maxi/513/slr-st-513-abc-la15058b-sflru.jpgEis - Selbermachen

Auf der THEODOR KÖRNER in den 1960ern

Stand der beschriebenen Technik (DSR): Neu 1950er, in Betrieb bis 1968 und länger
Rolf Beckert, Chemnitz, 2021
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Das Beispielfoto zeigt drei Manometer aus dem Kühlmaschinenraum der SENFTENBERG (Typ IX)
zur Überwachung des Betriebs eines Kühlkompressors.
 
Auf der THEODOR KÖRNER wurde in der Maschine EIS hergestellt. Klingt ja fast so, als ob da mit einer Eis-Maschine eben Speise-Eis gemacht würde. Nein, mit Maschine ist der Maschinenraum gemeint, ganz unten im Schiff, im Keller, haha. Und doch, wir haben im Maschinenraum Eis hergestellt. Block-Eis oder Stangen-Eis eben ganz profan Wasser-Eis. Nicht direkt im Maschinenraum, sondern im Kühlmaschinenraum. Lieber Leser, wir nähern uns langsam dem Thema. Drei Stufen hoch, ein Schott und hier geht es hinein, in die Ammoniak-Wolke. Ammoniak ist giftig. Also Gasmaske aufsetzen, sonst bleibt dir die Luft weg und die Augen tränen. Schnell mal nur die Temperaturen schreiben und schnell einige Thermometer und Manometer ablesen, das geht auch ohne Maske; aber Luft anhalten. Aufregend. Lieber Leser, in diesem Kühlmaschinenraum mit den Kühlkompressoren ist die Atemluft normalerweise genauso sauber (sollte sie jedenfalls) wie generell in einem Maschinenraum. Aber kleinste Leckagen an einem Ventil, einer Dichtung, einer Verschraubung o.ä. reichern die Luft mit Ammoniak an.
Natürlich hat jedes Schiff für die Proviantvorräte große Kühlräume. Dort hängen die Schweinehälften. Und so weiter. Eben übergroße Kühlschränke diese Kühlräume, seemännisch Kühllasten genannt.
Aber jetzt gehen wir an Bord der THEODOR KÖRNER. Hier gleich ein Wort zu diesem Schiff. Die THEODOR KÖRNER der Deutschen Seereederei Rostock war ursprünglich ein belgischer Truppentransporter, ein sogenanntes Kolonialschiff. Also ein kombiniertes Passagier(Truppen)- und Frachtschiff. Jetzt genutzt als Lehr- und Ausbildungsschiff für junge Seeleute. Dieses Schiff kann Kühlladung transportieren. Also Unmengen von gefrostetem Fleisch. "Feinfrost". So eine Schiffsladung hat mit dem Proviant-Frischhalten für die Kombüse ganz und gar nichts mehr zu tun.
Gut, nun Maske aufsetzen! Eine Atemschutzmaske mit Filter, wie sie auch die Feuerwehrmänner oder die Soldaten haben.
An dieser Stelle, um es bissel spannend zu machen, der Hinweis: Für den Havariefall, dass vielleicht durch einen Rohrbruch oder durch eine Fehlbedienung unkontrolliert Ammoniak ausströmt, liegen im Maschinenraum für uns Maschinisten Gasmasken bereit.
Dieser "gefährliche" Raum ist der Kühlmaschinenraum. Hier laufen mehrere Kompressoren. Wer zuhause bei seinem Kühlschrank schon einmal den Kompressor gesehen hat, etwa wenn der Kühlschrank auf den Sperrmüll geschafft wird, der erinnert sich an einen kleinen schwarzen Topf unten dran. Das ist der Kompressor. Unsere Kompressoren, die fast eine ganze Schiffsladung kühlen konnten, waren richtige Maschinen. Viel, viel größer als ein ganzer Kühlschrank zuhause.
Die Kälte, die die Kühlmaschinen erzeugen wird mittels einer Kühlflüssigkeit an die Orte befördert, nun wo diese Kälte eben benötigt wird. Vielleicht um eine Ladung von tausend Tonnen Hähnchen zu kühlen. Diese Salzlösung, Sole, hat minus 20 Grad Celsius.

Das war nur die Vorrede von Eis-Selbermachen. An Bord musste ja auch das Feierabendbier gekühlt werden. Oder der Kübel Kujampel für uns auf Wache. Oder die Kaltschale mittags. Oder paar Eiswürfel für den Eistee mit Schuss.

Und dann gab es noch eine Kühllast mit Eisvorräten für den Notfall. Ein Notfall wäre gewesen, wenn die Kühlanlage für die Kombüse ausfallen würde. Und auch, man möchte nicht darüber sprechen, falls es einen schlimmen Unglücksfall an Bord gibt, und, ja lieber Leser, male es Dir selbst aus.
Das Eis, das an Bord wie oben erwähnt, zur allgemeinen Nutzung benötigt wurde, haben wir selbst hergestellt. Ganz primitiv, aber ganz effektiv.
Stangen-Eis oder Block-Eis. Einfaches Wassereis. Gekühlt auf etwa 20 Grad minus. Die Eis-Stangen waren ungefähr 40 Zentimeter lang und etwa 10 Zentimeter im Quadrat. Nach unten hin verjüngte sich der Querschnitt etwas, damit sich das Eis aus der Form lösen lässt. Wir hatten dafür einen Behälter in der Größe, na nehmen wir zum Maßvergleich eine Haushaltwaschmaschine, einen Toplader. Außenherum, bin mir jetzt unsicher, eine Holzkiste, und innen ein Blechgefäß sehr gut wärmeisoliert. Dieses Blechgefäß wurde mit Kühlflüssigkeit gefüllt, also mit Sole von minus 20 Grad. In einen Rahmen konnte man nun von oben die mit Wasser gefüllten Formen einsetzen. Ich schätze mal, es waren neun Formen, also 3 mal 3. Das Kühlmittel wurde nach Bedarf gewechselt. Nach, geschätzt, vier Stunden war das Wasser in den Formen zu Stangen-Eis gefroren. Und konnte aus den Formen gezogen werden. Die Formen waren aus Blech. Sie wurden kurz in Wasser getaucht, damit sich das Eis in der Form löst. Die Weiterbehandlung, d.h. das Abholen aus dem Maschinenraum und Einlagern in eine Eis-Last, oblag dem Kühlmaschinist, an Bord Eisbär genannt. Diese Eisproduktion war für uns in der Maschine so eine Art Nebenproduktion. Beaufsichti-gen mussten wir diesen Kühlmaschinenraum sowieso.

In Mexiko (Mexiko ist nur ein Beispiel, da ich persönlich dort war) gibt es an Straßenständen "Schabeeis". Ein anderer Name ist "Schneeeis". Von einem Eisblock wird Eis abgehobelt und mit einem Schuss Fruchtsaft versehen, fertig ist die Erfrischung. Sehr preiswert und gut. Der Schiffsarzt aber meint "lieber nicht, man weiß ja nicht, woher das Wasser stammt". Also lieber nicht. Das Eis, das wir an Bord herstellen ist zwar aus Trinkwasser gemacht, aber eben nicht abgekocht und deshalb auch nicht unbedingt keimfrei. Die Flaschen Feierabendbier werden deshalb in einem Eimer mit Eisstücken gekühlt. Aber ehrlich, in den Behälter mit Kujampel, für uns in der Maschine, da wurde dieses Eis auch einfach direkt hinzugetan. Allerdings die Eiswürfel im Cognac, die haben sich selbst desinfiziert, haha. Abends, nach dem Abendbrot war an Bord "Eisausgabe". Alle machten sich mit einem Eimer und einem Handtuch (in das Handtuch wurde das Eis eingewickelt) auf den Weg zur Eis-Last. Der Eisbär machte die "Eisausgabe". Liebe Leser, diese Geschichte spielte an Bord der THEODOR KÖRNER. Auf den anderen Schiffen wird natürlich ebenfalls Eis hergestellt, für das "Feierabendbier".

Aber wir hatten da auf unserem THEO im Kühlmaschinenraum noch einen "Eigenbau-Tauch-Kühler". Kennt ihr noch von früher den "Tauchsieder"? Also ein Heizkörper der in den Topf mit Wasser eingetaucht und mit einem Kabel an die Steckdose angesteckt wird. So ähnlich sieht unser "Tauchkühler" aus. Aber anstelle mit Strom, wird unser Kühler mit Kühlflüssigkeit durchströmt. Wir haben mit einem Trick den Kühlkreislauf angezapft. Nun wird dieser "Tauchkühler" einfach in eine Kanne mit Tee oder Kujampel gesteckt, und es kühlt. Aber immer schön kontrollieren, sonst hängt da ein Eisklumpen am Tauchkühler.

../maxi/513/slr-st-513-abc-74-stieleis.jpgNa, noch ein kleiner Scherz als Abspann: Wir konnten, wenn wir es denn gewollt hätten (nein, haben wir nicht gemacht) auch ein riesengroßes "EIS-am-STIEL" (auf Deutsch "Stiel-Eis") herstellen!

Foto & Text: Rolf Beckert, Chemnitz
Grafik(en): ABC of Pics, lizenzfrei
Weiterführende Informationen beim Verein Historische Kälte-und Klimatechnik e.V. - HKK fremdlink.gif
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Seit 2016 wird im IGA-Park Rostock auf der DRESDEN - Traditionsschiff Typ Frieden - im Museum eine wichtige Station der "Straße der Kälte" des HKK gezeigt. Vor dem Schiff weist ein historischer Kreuzkopfverdichter mit einer Kälteleistung von ca. 233 kW an 68 kW Antriebsleistung von Haubold, Chemnitz,  auf die Ausstellung hin.
Fotos: 2016 Rolf Beckert, Chemnitz
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01.1 Kleiner Kältemittelverdichter für Proviantkühllasten (Typ XD)
Foto: Rolf Schneider, Harzgerode

../maxi/513/slr-st-513-abc-la15058b-sfllm.jpg "Eis - Selbermachen": Seeleute Rostock e.V., Februar/März 2021
 
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