Mit MS “THEODOR STORM“ rund um die Welt

Von Heinz Liebscher (Chemnitz) und Volkmar Gagalon (Rostock)

Im Jahre 1972 machte die „THEODOR STORM“ zwei Weltumsegelungen in Charter der schwedischen SALEN-Reederei. Über die zweite Reise, zu der wir gemustert wurden, möchten wir hier berichten.

Es war schon ein erhebender Augenblick, an Bord dieses weißen Schiffes zu gehen, nachdem wir auf den Bulkcarriern unserer Reederei groß geworden waren und ständig mit den staubigen Bestandteilen einer Erz-oder Apatitladung zu kämpfen hatten. Es war ein ganz anderes Flair auf diesem Schiff. Nicht nur, daß sich der ganze Landbereich ein „Stelldichein“ gab, sondern irgendwie hatten wir den Eindruck, auf einem Jugendschiff gelandet zu sein. Es ging jedenfalls sehr temperamentvoll zu. Wir fuhren beide in der Maschine, der eine als Maschinen-Assistent, der andere als II. Technischer Offizier. Für uns beide war die automatisierte Maschinenanlage Neuland. Das bedeutete für uns natürlich Hineinknien in die neue Technik, hatte aber auch den Vorteil eines geregelten Tagesdienstes.

Und dann ging es endlich los. Die Hauptmaschine wurde auf Nenndrehzahl gefahren und die Anlage wachfrei gemacht. An Deck angelangt das erste Staunen. Mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 21 kn schoß das Schiff nur so durch die Wellen, während die alten Bulkcarrier mit ihren 13 bis 15 kn nur so dahin dümpelten. In Kiel angekommen, wurden in der Schleuse von Holtenau noch einige Ausrüstungsgegenstände übernommen. Die Kanalpassage verlief ohne Probleme, und bald verschwand Brunsbüttel im Achterwasser unseres Schiffes, wir hatten das offene Meer, die Nordsee, erreicht.

Die „THEODOR STORM“ machte ihre letzte Reise in SALEN-Charter. Der Chartervertrag sah etwa folgendermaßen aus: Das Schiff fuhr weiter unter DDR-Flagge mit Heimathafen Rostock, hatte aber einen blauen Schornstein mit dem großen weißen „S“ der SALEN-Reederei darin. Der Charterer zahlte monatlich einen festgesetzten Betrag an die DSR und übernahm die Brennstoff-und Hafenkosten des Schiffes. Dafür verpflichtete sich die DSR eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20,5 bis 21 kn zu gewährleisten. Somit konnte der Charterer exakt Hafendurchläufe und Kanalpassagen planen.

Unser Reiseauftrag bestand darin, im europäischen Bereich Fisch von japanischen Trawlern zu übernehmen sowie in Ekuador Bananen zuzuladen mit Zielhäfen in Japan. Der weitere Verlauf der Reise stand noch nicht fest. Unser erster Ladehafen war Las Palmas auf Gran Canaria. Die Reise dorthin verlief recht ordentlich. Im Maschinenbereich mussten noch einige Reparaturen an den Hilfsdieseln und der Kühlanlage durchgeführt werden. Die Laderäume wurden gründlich gereinigt und für die Übernahme der Frostware heruntergekühlt. Es zeichnete sich ab, daß es eine gute Reise werden konnte. Der Kapitän und der Chief hatten ihre Ehefrauen mit an Bord, ein Garant dafür, etwas mehr von den Sehenswürdigkeiten dieser Welt zu erblicken.

In Las Palmas machte unser Schiff am Pier der Kühllagerhallen fest und übernahm hier eine Teilladung gefrosteten, ordentlich in Kartons verpackten Fischs. Es handelte sich dabei um Heilbuttfilet und Tintenfisch. Wir verbrachten hier vier Tage, also ausgiebig Zeit, uns umzuschauen. Die Stadt war schon eine Reise wert. Mitten im Sommer pulsierte hier das Leben. Nicht nur die Touristen aus dem westlichen Europa tummelten sich am Strand und auf der Promenade, auch die heimische Jugend verstand es, ausgelassen den schönen Dingen des Lebens zu frönen. Es war schon ein Erlebnis diesem Treiben zuzuschauen.

Von Las Palmas ging es wieder zurück nach Vigo in Nordwest-Spanien. Dort haben wir den Fisch direkt von japanischen Trawlern übernommen. Während der dreitägigen Ladezeit konnten wir uns von der Schönheit der Stadt und seiner Umgebung überzeugen. Mit halbvollem Schiffsbauch ging es nun über den großen Teich in Richtung Panamakanal. Bei dem herrlichen Wetter auf dem Atlantik bot es sich einfach an, das erste Fischerfest zu feiern. Das Bootsdeck wurde mit Fischernetzen überspannt, Lichterketten montiert und die festliche Tafel hergerichtet. Der Heilbutt wurde über Holzkohle gegrillt, und unser Koch, der auch seine erste Reise auf diesem Schiff machte, war einfach ein Meister beim Zubereiten des Tintenfisches. Mit den entsprechenden Gewürzen in Öl gebacken, war es ein Gaumenschmaus für uns doch verwöhnten Seeleute. Bei der langen Reise bis nach Japan folgten noch mehrere derartige Feierlichkeiten, und auch danach gab es noch genug Fisch für unsere verwöhnten Gaumen.

Die Panamakanalpassage war für uns Neulinge natürlich ein Erlebnis. Schon vor Einlaufen durch die Molen von Cristobal kam uns die „LIVERPOOL BAY“ entgegen, ein Containerschiff der 3. Generation, welches nach den Abmessungen der Schleusenkammern gebaut wurde, für einen Schiffslover ein beeindruckender Anblick. Der Panamakanal ist der einzige Seeweg, bei dem nicht der Kapitän, sondern der Lotse die volle Verantwortung für das Schiff übernimmt. Voraussetzung dafür ist natürlich eine einwandfrei funktionierende Maschinenanlage, entsprechende Kontrollen wurden dort von den Behörden auch durchgeführt. Jede freie Minute während der Passage verbrachten wir an Deck und hielten das Sehenswerte mit unseren Kameras im Bild fest. Wir dachten dabei aber auch an die vielen Menschen, die den Bau des Kanals mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Auslaufend Panamakanal brauchten wir gut einen Tag bis nach Ekuador zu unserem Ladehafen „Puerto Bolivar“. So klangvoll sich dieser Name auch anhört, es sah elend in diesem Ort aus. Die einzige befestigte Straße war der Weg von der Bananenplantage zur Verladepier. Zu den einzelnen Häusern ging es über hölzerne Laufstege, unter denen während der Flut das Wasser lief und während der Ebbe dort die Kinder mit den Schweinen und Ratten im Schlamm spielten. Wehe dem Seemann, der hier sein Schiff verpaßt. Über die große Not in der Welt machte sich natürlich auch der DSR-Seemann so seine Gedanken. Irgendwie waren wir doch stolz darauf, mit dazu beigetragen zu haben, daß es uns und unseren Familien in der Heimat gut ging und wir kaum auf etwas verzichten mussten.

Die Chiquitas wurden innerhalb eines Tages in den verbliebenen Decks verstaut, und schon hatte uns der Pacific wieder in seine Arme geschlossen. Die 18 Tage bis nach Japan wurden uns nicht langweilig. Kaum einen Tag auf See, so schipperten wir schon durch die Galapagos-Inseln in Richtung nördliche Halbkugel. Diese Inseln sind ein wahres Naturparadies, das einzigartig auf der Welt ist. Vom Tourismus verschont geblieben, leben hier viele Urtiere wie Riesenschildkröten, Meerechsen und natürlich alle Arten von Seevögeln.

Nachdem wir den Äquator das zweite Mal überquert hatten, fand natürlich auch die obligatorische Äquatortaufe statt. Täuflinge gab es genug, und die „dreckigen“ Nordhalbkugelbewohner wurden nicht nur mit bunten Lebensmittelfarben geschmückt. Zufällig musste an diesem Tag auch der Schweröl-Separator gereinigt werden. Abends konnten die Täuflinge dann stolz ihre Taufscheine in Empfang nehmen, nachdem jeder noch etwas zum Besten gegeben hatte -ein Lied singen, ein Gedicht aufsagen oder auf der Back einen Kopfstand machen.

Wir waren eigentlich ein gutes Kollektiv. Die alten Hasen wußten, worum es geht, und wir Neulinge hatten uns schnell angepaßt. Alkoholverstöße gehörten nicht zum Alltag, obwohl sich jeder bei der Transitausgabe soviel Alkohol kaufen konnte, wie es ihm beliebte. Das Transitlimit wurde natürlich eingehalten. Was darüber hinaus ging, musste in harter Währung bezahlt werden. Oft fand auf dieser Reise ein Barabend statt, der auch stets Niveau hatte. Ein großer Teil der Getränke musste ebenfalls in harter Währung bezahlt werden. Das schmerzte niemanden, denn Dollars hatten wir auf dieser Charterreise ausreichend. Die letzten Gäste waren spätestens um 01.00 Uhr in der Koje verschwunden, so daß der Dienst am nächsten Tag nicht darunter litt. Die Feierlichkeiten fanden in dem von der Besatzung selbst gestalteten Salon statt, der auch einen herrlichen Bartresen beherbergte. Hinter diesem servierte uns ein in erster Garnitur gekleideter Barkeeper die Getränke. Manchmal wurde er auch von unseren beiden schmucken Stewardessen abgelöst. Jeder der Gäste kam ordentlich gekleidet zu den Festlichkeiten. Man hatte dadurch das Gefühl in einer vornehmen Bar wie beispielsweise der Sky-Bar des Hotels „Neptun“ zu sein und nicht fernab aller Zivilisation auf dem weiten Ozean. Jeder, der während dieser Reise Geburtstag hatte, war stolz darauf, einen Barabend zu gestalten, und jeder war auch herzlich eingeladen.

Ein weiteres Ereignis dieser Reise ist auf jeden Fall erwähnenswert. Es war an einem Sonntagvormittag, die frisch gebackenen Brötchen haben wie immer gut geschmeckt, der Dienst im Maschinenraum hatte bereits begonnen, und die regelmäßigen Arbeiten wurden in Angriff genommen. Plötzlich Anruf von der Brücke: Die Maschine wird heruntergefahren. Der Grund war eine kleine Segeljacht, die sich auf dem Weg von den USA nach den Hawaii-Inseln befand. Sie befand sich nicht in Seenot, nein, dafür war das Wetter viel zu schön. Der Kapitän hatte mit dem dort segelnden Ehepaar Kontakt aufgenommen und sich nach seinem Befinden erkundigt. Als gute Geste, wie es unter Seeleuten üblich ist, ließ er ein großes schwimmfähiges Paket packen mit frisch gebackenen Brötchen, einem aufgebackenen Brot, gereiften Bananen und einigen weiteren schmackhaften Lebensmittel. Das Paket wurde zu Wasser gelassen und nachdem es wohlbehalten von den Seglern an Bord gezogen wurde, verabschiedeten wir uns mit einer Ehrenrunde um das Boot herum. Als dann das Typhon gezogen wurde, ging es einem durch und durch. Es war ein ähnliches Gefühl, wie wenn heute in Warnemünde eines der großen Passagierschiffe ablegt, die Melodie „Time To Say Good Bye“ und für die amerikanischen Passagiere im Anschluss Elvis‘ „Muss i denn zum Städtele hinaus“ gespielt wird. Wenn dann zum Abschied dreimal lang das Typhon brüllt, sind all die Erinnerungen an die eigene Seefahrtszeit wieder da. Es war eine schöne Geste vom Kapitän, diesen Menschen im Segelboot eine Freude zu machen, unabhängig von Glaubensbekenntnis und politischer Zugehörigkeit.

Unser nächster Erlebnishöhepunkt war das Passieren der Hawaii-Inseln. Um Mitternacht sahen wir den roten Feuerschein des auf der Insel Hawaii tätigen Vulkans. Am nächsten Mittag passierten wir Honolulu, der Hauptstadt der Hawaiian Islands auf der Insel Oahu, zum Fotografieren nahe.

Knapp drei Tage später überschritten wir mit unserem Schiff die Datumsgrenze, das heißt, den 180sten Längengrad. Während unsere Position bisher in westlicher Länge angegeben wurde, so versegelten wir jetzt östlicher Länge. Das war aber nicht die einzige Besonderheit. Da wir stets in westlicher Richtung fuhren, wurden alle 15 Längengrade die Uhren 1 Std. zurückgestellt. Beim 180sten Längengrad lagen wir Greenwich gegenüber einen halben Tag zurück. Jetzt fuhren wir aber gegen 0° östlicher Länge, das heißt, wir waren Greenwich gegenüber einen halben Tag voraus. Dazu mussten wir also einen ganzen Tag überspringen. Die wachhabenden Nautiker und Matrosen hatten sich diesen Tag aber redlich durch das ständige Zurückstellen der Uhren verdient. Wir im Tagesdienst Beschäftigten konnten nachts eine Stunde länger schlafen und bekamen diesen übersprungenen Tag auch noch bezahlt. Für dieses außergewöhnliche Ereignis erhielten wir ein handgemaltes Dateline-Certificate.

In unserem Bericht ist die Arbeit bisher etwas kurz gekommen. Wir fuhren zwar auf einem weißen Schiff, aber nicht auf einem Passagierschiff. Es wurden wie auf allen anderen DSR-Schiffen Wartungs-und Konservierungsarbeiten durchgeführt. Bei einem Kühlschiff beansprucht aber die Ladungsbetreuung einen großen Zeitaufwand und besonders dann, wenn noch verschiedene Kühlgüter transportiert werden. Während der Fisch bei Temperaturen unter –20°C gelagert wurde, wurden die Bananen auf etwa +12°C (52,5°F) gehalten. Während eine Frostladung relativ unproblematisch ist, so benötigt aber eine Bananenladung große Aufmerksamkeit. Der Reifeprozess dieser Frucht muss, so gut es geht, gestoppt werden. Dasanfallende Kohlendioxyd und Äthylen muss ständig abgesaugt werden, da es den Reifeprozeß fördert und parallel dazu muss Frischluft zugeführt werden, damit die Banane nicht austrocknet. Es ist schon eine Wissenschaft für sich, solch eine Ladung gut zum Zielhafen zu bringen. Wenn der Ladungsoffizier während seiner Wache auf der Brücke steht und über die Luken blickt, muss er immer daran denken, daß sich dort im Laderaum etwas „Lebendiges“ befindet, das er unbedingt im Schlaf halten muss.

Und dann war es soweit. Wir fuhren durch die Bucht von Yokohama, der Fujiyama war wie meist in den Wolken beziehungsweise im Dunst verschwunden. Das Löschen der Bananen in Tokyo verlief unproblematisch. Die Seitenpforten wurden geöffnet, Förderbänder heran gerollt und schon marschierten die Chiquita-Kartons in die Kühlhallen. Einen Tag später befanden wir uns wieder auf See. Jedoch standen von der halben in Tokyo gelöschten Bananenladung etwa 2000 Kartons an Deck herum, die auf einer vorgegebenen Position außenbords geworfen werden mussten. Für uns Neulinge auf dem Kühlschiff kaum zu begreifen. Der Name „Chiquita“ bürgt eben für Qualität. Wenn eine Banane im Karton etwas gelb aussah, ging dieser nicht von Bord. Die Frucht hat an Land im Reifekeller gelb zu werden, aber nicht an Bord. Wenn man daran denkt, daß damals wegen Devisenmangels in der DDR kaum eine Banane zu bekommen war, ist dies unfassbar. In Osaka wurden dann die restlichen Bananen gelöscht und die Fischladung in Angriff genommen. Dabei ließ man sich viel Zeit. Fisch ist für die Japaner ein hochwertiges Lebensmittel. Es wurde jede Palette gründlich in Augenschein genommen und die Ware auf Qualität und Vollzähligkeit überprüft.

Für uns gab es ausgiebig Zeit, Land und Leute kennen zu lernen. Japan ist schon eine Reise wert. Die Einkaufspassagen und Kaufhäuser übertrafen alles was wir vom westlichen Europa bisher kannten. Bereits im Foyer eines großen Kaufhauses wurden wir von einer schmucken Japanerin in perfektem Deutsch angesprochen, die uns während unseres zweistündigen Geschäftsbummels nicht von der Seite wich und uns mit Rat und Tat zur Seite stand. Beliebtes Ziel war hier die Spielzeugabteilung. Abends an Bord präsentierten dann die jungen Familienväter die für ihre Kinder erworbenen Geschenke. Die Gänge in den Aufbauten verwandelten sich zu richtigen Spielstraßen. Auch an Bord fanden sich Händler ein, die bei uns guten Umsatz machten. Zu erwähnen seien hier die handgemalten Kaffeeservices des „Hey Dankeschön“, eines kleinen Japaners, der ein gutes Deutsch sprach. Seine kleine Manufaktur kam kaum mit der Produktion nach, so gefragt war sein Porzellan. Man konnte sich aber auch auf einem Gemälde des Schiffes mit seinem Porträt verewigen lassen.

Wieder zurück nach Tokyo versegelt, mussten wir erst einmal einen kleinen Taifun abwettern, bevor es im Hafen der Restladung Fisch zu Leibe ging. Der Landgang hier wurde weniger zum Einkaufen genutzt, denn unser Geld wurde allmählich knapp. Aber Tokyo hat viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Nicht nur die Ginzastreet ist sehenswert, ein Besuch auf dem Flughafen wurde für uns zu einem bleibenden Erlebnis. Es war schon fantastisch anzusehen, wie sich aus unmittelbarer Nähe die Jumbo-Jets in die Luft erhoben, begleitet von wehenden Tüchern, mit denen die japanischen Insulaner ihre Gäste verabschiedeten. Die Fahrt zurück in die Stadt mit der Schwebebahn war ebenfalls einmalig. Die Abende hier wurden von uns Fotoamateuren genutzt, um das Lichtermeer der Stadt auf unseren Filmen festzuhalten, denn Tokyo ist bekannt für seine Leuchtreklame.

Ja, und dann begann die Rückreise oder auch Weiterreise. Wir verließen Tokyo in Richtung Indischer Ozean, fuhren an Taiwan vorbei, übernahmen Singapur-Reede noch ein paar Kleinigkeiten und erreichten nach Passage der Malaka-Straße den Indischen Ozean. Da der nächste Ladehafen noch nicht feststand, bekamen wir von SALEN Order die Maschine zu stoppen, Zeit für die Maschinen-Crew, einige dringende Reparaturen am Hauptmotor durchzuführen, und für die Matrosen, ein paar respektable Haie aus dem Wasser zu ziehen.

Als nächster Ladehafen wurde uns Merca in Somalia telegrafiert. Es gab dort keinen Hafen. Nur eine kurze Pier ragte in den Indischen Ozean, an der die Bananen in Schuten verladen wurden. Die Bananen gelangten über an der Außenhaut verzurrten Stellagen an Deck und über viele Rutschen bis in die untersten Decks der Laderäume. Es war schon zu bestaunen, wie mit Muskelkraft innerhalb kurzer Zeit ein Schiff beladen werden kann. Der zweite Ladehafen war Chisimayo (Kismaanyo) in Somalia. Hier gab es einen Hafen mit einer befestigten Pier. Mit dem eigenen Ladegeschirr wurden die restlichen Bananen im Schiff verstaut. Die Zeit nach Feierabend wurde von vielen genutzt, um am Hafenrand nach Korallen und Seesternen zu tauchen.

Wieder vom Indischen Ozean in Empfang genommen, versegelten wir gen Süden mit Zielhafen Rostock. Wir mussten den Weg über Kapstadt wählen, da zu dieser Zeit der Suez-Kanal noch geschlossen war. Dafür erwartete den DDR-Bürger die wohlschmeckendste Banane, die es überhaupt gibt. Das Logo auf der Banane war ein springender Leopard. Wenn die gereifte Banane so aussah wie das Fell des Leoparden, also gelb mit braunen Punkten, dann war sie reif und schmeckte süß und saftig. Da konnte keine Chiquita mithalten, die eigentlich nur größer war. Aber bis Rostock war noch ein weiter Weg. Entlang der ostafrikanischen Küste ging es erst einmal nach Durban in Südafrika zum Bunkern. Einen geschlagenen Tag brachten wir hier auch zu. Landgang gab es für uns von der Maschine kaum, denn das Bebunkern der Schweröltanks erforderte schon unsere ganze Aufmerksamkeit. Das Bebunkern machten hier grundsätzlich nur schwarze Südafrikaner. Wir staunten aber nicht schlecht darüber, wie die Arbeit hier in puncto Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit organisiert war.

Nach Auslaufen Durban hatte uns Rasmus nach dieser schon recht langen Reise das erste Mal in den Griff bekommen. Der Wind blies von vorn mit einer neun bis zehn. Bei dem voll beladenen Schiff gingen die großen Brecher voll über Deck. Wenn man zusah, wie die Wassermassen sich gegen die Schiffsfenster Hauptdeck Vorkante warfen, konnte einem himmelangst und bange werden. Aber das Glas hielt den Belastungen stand. An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Der nächste Tag sah wieder viel freundlicher aus. Nachdem wir das Kap der Guten Hoffnung umrundet hatten und Kapstadt uns mit seinem Tafelberg grüßte, wurde der Kurs in Richtung Norden abgesteckt und der Zielhafen Rostock ins Visier genommen. Die verbliebenen knapp 20 Tage wurden bei der guten Wetterlage genutzt, das Schiff herauszuputzen. So erreichten wir dann am 19. September unseren Heimathafen.

Es war eine herrliche Reise, die uns immer in Erinnerung bleiben wird. Wir waren ein prima Kollektiv, mit dem man nicht nur fröhliche Feste feiern konnte. In der Maschine gab es keine Probleme, die Diesel hielten alle durch. Das Wetter hatte es gut mit uns gemeint, während der drei Monate nur einen halben Tag schwere See. Wir haben viel gesehen und jeder fuhr mit neuen Eindrücken in die Heimat.

Es war die letzte Reise unter SALEN-Charter, das Schiff ging anschließend in die Werft nach Göteborg und fuhr danach für den Deutfracht-Reefer-Service in eigener Regie.

 

Bereits erschienen in „Bordgeschichten V“, Ausgabe Nr. 5/2005, herausgegeben vom DSR-Seeleute e.V. Freiberg und von der Schiffahrtsgeschichtlichen Gesellschaft OSTSEE e.V. Rostock.