Nach knapp drei Stunden Barkassenfahrt
Besuch der Viermastbark "Passat"
Maritimer Schatz der Lübecker
von Stephan Bohnsack
Unser alljährlicher, traditioneller Ausflug führte 2016 zu einer
maritim-historischen Besonderheit, zur stählernen Viermastbark
"Passat" - das ist eine "alte Lady", die jetzt in Lübeck-Travemünde
Gäste empfängt. Diese Reise war von unseren bisherigen Exkursionen
diejenige, die die Herzen von uns einstigen Seeleute höher schlagen ließ,
denn die Planken und der Geruch nach Salz und Meer erweckten
Geschichten, die jeder von seiner Seezeit erzählen konnte.
1978 wurde der Frachtsegler als Zeugnis für die deutsche
Seefahrtsgeschichte unter Denkmalschutz gestellt, denn das Schiff wird
hier nicht nur wegen seines Nutzens geliebt - auf ihm trotzten Seeleute
auf Leben und Tod den Naturgewalten. Grund genug für einen Besuch in Lübeck-Travemünde.
Als außerordentliches maritimes Denkmal erhielt die "Passat"
von den Stadtvätern direkt am Priwall, gut sichtbar und erreichbar für
jedermann, ihren Liegeplatz.
Die Lübecker Bürgerschaft scheint übrigens mehr auf maritim-kaufmännische,
eben hanseatische Traditionen zu setzen als die Rostocker, wo Bedenkenträger
es immer wieder schaffen, maritime Projekte zu stoppen oder auf
Jahrzehnte zu verzögern, obwohl das Interesse an Schiffen und Seefahrt
in Rostock unbestritten ist. Aber dafür gibt es an der Warnow leider
keine Lobby.
Wir konnten jedenfalls Lübecker Engagement direkt erleben
und sehen, was unternommen wird, um den Liegeplatz für das
Windjammer-Denkmal aufzuwerten, welches in Lübeck als maritimer Schatz
gesehen wird. In unmittelbar in Nähe des Frachtseglers
"Passat" entsteht eine touristische Ferienanlage für Gäste
aus aller Welt mit allem drum und dran, was heutzutage so dazu gehört.
Selbst die Hafenpromenade erhält ein neues Gesicht, mit passendem
Erlebnischarakter. Anfragen von Reisebüros soll es bereits schon eine
ganze Menge geben.
Als Rostocker kamen wir aus dem Staunen nicht heraus, denn im
Gegensatz zu Lübeck kämpfen Vereine in Rostock um Aufwertung des
Rostocker Stadthafens, für die Einrichtung einer maritimen
Erlebnismeile, aber jahrelang immer nur mit ungünstigem Wind aus dem
Rathaus ...
Die echt urige Lübecker Barkasse "Adolf Stühff"
brachte uns in ca. dreistündiger Fahrt und auf direktem Weg zur
"alten Lady", die am 2. März 1911 bei Blohm & Voss in
Hamburg auf Kiel gelegt wurde, um schon am 20. September 1911 als
Frachtsegler für die Laeisz-Reederei vom Stapel zu laufen. Die
Taufpatin, Gertrud Grau, benannte das Schiff nach den Passatwinden -
"Passat".
Beim Rundgang an Bord, den Kapitän a.D. Rüdiger Käkenmeister
führte, kamen viele Fragen auf zum Schiff, zu aktuellen Kosten, zu den
Übernachtungsmöglich- keiten an Bord, zu den Reisen des Schiffes und
natürlich auch zu den legendären, vier Tonnen schweren Ankern. Womit
verbunden war die einstige Arbeit am Ankerspill, das 15 Mal gedreht
werden musste, um die Kette samt Anker nur einen Meter aus dem Wasser
heben zu können.
Anfang des 20. Jahrhunderts war zwar der Höhepunkt für Frachtsegler
schon überschritten, aber doch blieben die Segler immer noch
wirtschaftlicher als ihre rußenden Konkurrenten. Der Raum für große,
teure Maschinen wurde nicht gebraucht und konnte für Nutzlast
eingesetzt werden. Lohngelder für Maschinenpersonal mussten nicht
gezahlt werden.
Die Viermastbark "Passat" ist ein solides, stählernes
Schiff, mit stählernen Planken, Masten und Rahen aus Stahlrohren. Der
Großmast ragt 56 Meter in den Himmel. Wanten und Stage sind
stahlgeflochten und mit Spannschrauben steifgesetzt. Vieles wussten wir
zwar schon, aber wir lernten einiges mehr über den Windjammer und seine
Schwesternschiffe. Fuhren wir doch alle auf Motorschiffen der einstigen
DSR.
Der Weg zurück führte dann durch die Innenstadt des altehrwürdigen
Lübeck. Die Stadt ist zwar 73 Jahre älter als Rostock, aber man merkt
es nicht, denn sie hat sich einen frischen, jugendlichen Charme erhalten
können. Vorbei an den Backsteinbauten, großen Kirchen, Patrizierhäusern
und auch vorbei an Niedereggers Marzipansalon mit einem Abstecher zu den
Kartoffeltagen auf dem Markt erkundeten wir diese herrliche Hansestadt
bis hin zur Schiffergesellschaft, nordöstlich des weltberühmten
Buddenbrookhauses gelegen.
Weltberühmt oder nicht, zum Abschluss wartete in diesem Schifferhaus
aus dem Jahr 1535 ein heimatlich deftiges Abendessen auf uns, und so
etwas hält bekanntlich Leib und Seele zusammen - mehr als nur das
Bewundern von Sehenswürdigkeiten.
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